"Tôtbringære" ist UNGFELLs erstes Album und schon 2016 entstanden, obwohl sich die Exzentriker, die dahinterstecken, mit der enthaltenen Musik als Kinder der frühen 1990er entlarven. Eingebettet in ein mittelalterliches Konzept über Pest, Tod und Teufel steht das Material im Zeichen der Lo-Fi-Produktionen, die seinerzeit von Skandinavien aus die Welt überrollten, und dennoch mit zumindest einem Bein im Jetzt.
Multi-Instrumentalist Menetekel, der im Grunde genommen das einzige wesentliche Mitglied der "Band" ist (er greift lediglich auf einen mehr oder weniger festen Drummer zurück), spielt ausgesprochen fantasievoll und detailverliebt Gitarre, wie auch trotz klanglicher Unterbelichtung aus seinen mehrspurigen Aufnahmen offenbar wird, weil UNGFELL im Vergleich zu herkömmlichen Schwarzwurzeln mit wenig Verzerrung arbeiten. So entsteht beim Hören ein paradoxer Eindruck von regelrecht kunstvollem Lärm.
Dies unterstreichen Samples, melodischer Chorgesang und ein freimütig eingesetztes Akkordeon zusätzlich. Bei alledem könnte man die deutschen Texte übersehen, die in ihrer poetischen, klischeefreien Art Aufmerksamkeit verdient haben und dem narrativen Duktus der Kompositionen entsprechen. Menetekel schreibt völlig unkonventionelle Stücke, die sich auch wegen des Sounds allenthalben mit dem Schaffen der Amerikaner Botanist vergleichen lassen. In jedem Fall strotzen die acht Stücke (abzüglich des Intros 'Viures Brunst') vor Überraschungen, ohne dass man UNGFELL als kurzlebiges Exotikum abtun dürfte.
Immerhin hat das übrigens remasterte (hö, hö …) Material schon drei Jahre auf dem Buckel, und dass es auch noch nach einer Dekade spannend bleibt, steht anzunehmen. Unvermittelte Akustikpassagen, Maultrommelspiel, fast Westernsoundtrack-artige Gitarrenklänge und im Gegenzug nostalgisch-skandinavische, besonders eingängige Melodien bieten eine Menge Stoff, an dem man sich so schnell nicht satthören wird. Ergo: Wieder- oder zum ersten Mal entdecken!
FAZIT: "Tôtbringære" ist ein praktisch beispielloses Stück Black Metal im weitesten Sinn, das als stringente Verschmelzung eines historischen Themas mit anachronistischem Sound und gegen den Strich gebürsteten Kompositionen zeitlose Qualitäten angenommen hat. Dieser Re-Release lädt nicht nur zu eingehender Beschäftigung mit UNGFELL ein, sondern macht dies nachgerade zur Pflicht. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/7b3a838f2a6c4b95a58c167ce18c3f05" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.07.2019
Eisenwald / Soulfood
50:14
02.08.2019