"Djent, djent, djent", machen die schlackernden Gitarren- und Basssaiten, also wissen Szenekenner, dass es wieder einmal Modern-Prog-Metal-Zeit ist. UNPROCESSED melden sich unerwartet schnell nach kaum einem Jahr ("Covenant erschien" erst im Frühling 2018) zurück und haben sich stilistisch zwar nicht großartig weiterentwickelt - weder auf ihren eigenen Kosmos bezogen noch in Hinblick aufs übergeordnete Geschehen innerhalb des Genres -, profitieren auf "Artificial Void" jedoch von offensichtlicher Spontaneität und Eile, die während der Produktion vorgeherrscht haben dürften.
Wie zuletzt schwingt die Band nicht nur die grobe, rhythmisch vertrackte Riff-Kelle, sondern bindet wiederholt auch Soundscapes mit Filmmusik-Qualitäten ein, was besonders anschaulich im Titelstück, später auf der Hart-Zart-Schiene in 'Down The Spine' und während des versonnen hymnischen Highlights 'Fear' geschieht. Wahrscheinlich ist es auch der verhältnismäßigen Kürze der Entstehung von "Artificial Void" geschuldet, dass die Stücke ausgesprochen kompakt und wie aus dem vielzitierten Guss wirken. Gegen plumpe Eingängigkeit sperren sich die Deutschen nach wie vor, was man ihnen hoch anrechnen muss, zumal wesentlich bekanntere Kaliber gerade deswegen immer leichter durchschaubar werden.
Andererseits zünden nicht alle Ideen, die UNPROCESSED auf ihrem neuen Album verarbeitet haben. 'Ruins' geht nur als halbseidenes Klangexperiment durch, mit dem der charakteristisch perkussive Gitarrensound, nach dem eine ganze Stilistik benannt wurde, eine nachgerade komisch überzeichnete Demonstration erfährt, und die Verschmelzung von einseitigem Metalcore-Gebrüll mit poppigem Refrain während 'Avatar' mutet arg konstruiert an.
Einen Totalausfall verzeichnet die Combo jedoch nicht. Aufgrund der Tatsache, dass keiner der zwölf Songs auf "Artificial Void" wie der andere klingt, und weil UNPROCESSED einen geradezu verschwenderischen Einfallsreichtum an den Tag legen, darf man sie durchaus auf eine Stufe mit Periphery stellen. 'Another Sky' ist bis auf weiteres als Lied in relativ klassischem Sinn ihr vorläufiges Meisterwerk und könnte glatt von Haken stammen, um eine weitere Referenzgröße zu erwähnen.
FAZIT: Kurzum, auf dem schmalen Grat zwischen schierer Abenteuerlust bzw. Freude am Klang und konventioneller (wenn auch höherer) Gegenwarts-Prog-Mathematik balancieren sich UNPROCESSED souverän an die nationale Spitze. Mit einer Platte wie "Artificial Void" in der Hinterhand mag die Band selbst weltweit etablierte Zeitgenossen auf ihrem Feld ins Schwitzen bringen, also jetzt zugreifen und Bescheid wissen, wenn sie in aller Munde gerät … <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/a3ac4e42153048b793325620af54bea1" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.08.2019
Long Branch / SPV
58:32
09.08.2019