Was vor rund einem halben Jahrzehnt als Black 'n' Roll-Projekt anfing, ist mittlerweile eine komplett aufgestellte Band mit einer größeren stilistischen Reichweite: Für WORMWOOD selbst handelt es sich bei "Nattarvet" ("Vermächtnis der Nacht") nach ihrer ersten Veröffentlichung "The Void – Stories From the Whispering Well" (2015) und dem zwei Jahre später folgenden Album "Ghostlands – Wounds From a Bleeding Earth" um einen grundlegenden Neubeginn, doch die sieben durchweg längeren Songs wirken vielmehr charmant anachronistisch als irgendwie revolutionär.
So detailverliebten Melodic Black Metal spielen heutzutage verhältnismäßig wenige Acts, zumal selten in so bestechender Form wie hier. Die Band agiert ausgesprochen fantasievoll, indem sie klassisches Blastbeat-Sperrfeuer mit geradezu fragilen Akustik-Parts verbindet und auch anderswo prachtvoll folkloristische Melodien einbindet. Parallel dazu gibt es breitbeinig gespielte Rock-Solos, dezente Keyboard-Symphonik und die wirklich schönsten Streicher-Arrangements im Metal-Kontext seit Langem.
Dem ganzen Album haftet bei aller Kraft und Garstigkeit etwas Melancholisches an - selbst im martialisch stampfenden, kürzesten und eingängigsten Stück 'I Bottenlös Ävja' -, das im Sinne des thematischen Konzepts zu verstehen ist, denn alle Songs drehen sich auf diese oder jene Art in einem historischen Rahmen um Einsamkeit. Die Mitglieder haben belletristische Literatur und Geschichtsbücher gewälzt, wobei das Ergebnis nun tatsächlich in einer Art von Halbwirklichkeit schwebt.
Einerseits nämlich bleibt "Nattarvet" zu jeder Zeit geerdet und ungeachtet seiner verschwenderischen Opulenz von jeglichem Kitsch befreit, andererseits versetzt die Gruppe den Hörer in eine Hochphase für extremen Metal zurück, die es so, wie man sie durch die nostalgische Brille sieht, wahrscheinlich nicht gegeben hat. Davon abgesehen also, dass die Platte zu den substanziellsten des Genres in jüngerer Zeit gehört, ist sie ein typischer Fall von "life imitates art".
FAZIT: Schlichtweg toller, episch-melodischer Black Metal, mäandernd eskapistisch, erhebend und erdrückend zugleich, Kunstmusik im besten Sinn und somit eine wohltuende Alternative zu verkopften Szene-Philosophen oder ideologischen Eiferern. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/e76d31851c3c4e678b3ca170cdcde155" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.07.2019
Black Lodge / Sound Pollution
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26.07.2019