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Abo Alsleben: Mayhem live in Leipzig: Wie ich den Black Metal nach Ostdeutschland brachte

Stil: Sachbücher / Film, Kunst & Kultur

Cover: Abo Alsleben: Mayhem live in Leipzig: Wie ich den Black Metal nach Ostdeutschland brachte

Nicht nur angesichts der Tatsache, dass die Plattform Discogs eingedenk zahlreicher Bootlegs und sämtlicher Tonträgerformate satte 50 verschiedene Versionen von Mayhems "Live in Leipzig" listet, braucht man den Stellenwert dieses Konzertmitschnitt vom 26. November 1990 aus dem Eiskeller, einem Kultclub in der größten sächsischen Stadt, innerhalb der Historie des sogenannten Second-Wave Black Metal nicht zu hinterfragen.

Die Norweger, die nach Eminenz und Manos die Bühne betraten, hatten an den beiden vorangegangenen Tagen schon in Annaberg-Buchholz und Zeitz gespielt, wobei Abo Alsleben als Fan und Brieffreund von Gitarrist Øystein "Euronymous" Aarseth für die Organisation aller drei Gigs verantwortlich zeichnete.

Der damals 22-Jährige, der kurz zuvor noch Wehrdienst bei der NVA geleistet hatte, war als Fanzine-Macher (Cadaver, Corpse & Bowels) schon zu DDR-Zeiten ein begeisterter Fan extremer Musik und konfrontierte die Skandinavier unmittelbar nach der Wende mit einer von Gegensätzen geprägten Situation - Aufbruchsstimmung einerseits, subkulturelle Spannungen andererseits; falls Aarseth seine undifferenzierten, juvenil-provokanten Ansichten zu kommunistischen und totalitären Regimes je relativierte, dürfte er vor Ort genug Anstöße dazu erhalten haben, denn offensichtlich war nicht nur die Tatsache, dass Ostdeutschland heruntergewirtschaftet war, sondern auch ein anhaltender Kleinkrieg zwischen linken und rechten Jugendlichen.

Mayhem müssen jedenfalls gespürt haben, dass den Bewohnern ihrer zeitweiligen Unterkunft (eines besetzten Hauses) ein nur drei Tage zuvor abgewehrter Nazi-Angriff noch in den Knochen steckte und dieses Umfeld recht wenig mit den gutbürgerlichen Verhältnissen zu tun hatte, aus denen sie selbst stammten. All dies klingt locker in umgänglichem Sprachstil geschrieben in „MAYHEM live in Leipzig – Wie ich den Black Metal nach Ostdeutschland brachte“ an, Alslebens erster dokumentarischer bzw. autobiografischer Arbeit, nachdem er die Milieu-Romane „Tschüss Deutschland“ (2008), „Ahoi Connewitz“ (2009) und "Punkrock Hooliganz" (2012) veröffentlicht hat.

Die Schweineschädel- und Selbstverletzungs-Orgie von Frontmann PerYngve "Dead" Ohlin, der kein halbes Jahr später Selbstmord beging, steht natürlich im Mittelpunkt, doch das Drumherum ist eigentlich viel interessanter, weil sich so viele Mythen um die Band und ihre Performance ranken. Statt der menschenverachtenden Übermenschen begegnete Abo schlichten Teens, die sich mit semi-pubertären Exzessen übernahmen und hinter ihrer plakativen "gegen alles"-Radikalität sehr harmlos waren,
das Publikum aber nichtsdestoweniger verdutzten, wenn nicht sogar überforderten. Der Autor stellt die Mitglieder der Gruppe allen Marotten und großen Zielen zum Trotz als jene Normalos dar, die sie waren,

Der im Buch abgedruckte Briefverkehr und fotografische Eindrücke von den Ereignissen runden die rundum lesenswerte Chose ab. Interessant übrigens auch: die im weiteren Verlauf der 1990er parallel vollzogene Entwicklungen der jeweils übergeordneten Instanzen - sowohl Leipzig als auch Black Metal insgesamt - zum braunen Sumpf hin ähnlich …

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FAZIT: Das Finale von Mayhems verklärter 1990er-Mini-Deutschlandtour war nüchtern betrachtet ein Flop, was ihre Bedeutung für die Black Metal Szene keineswegs schmälert. Das erzählt Abo Alsleben mit diesem Sittenbild und Porträt von Rebellion um ihrer selbst willen anschaulich wie warmherzig liebenswürdig. <img src="http://vg07.met.vgwort.de/na/389bfa6b7a2d4d6aa5b35490023e5bed" width="1" height="1" alt="">

Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.05.2020

Tracklist

  1. 155 Seiten
  2. ISBN: 9783943150667
  3. Hardcover

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    bookra Verlag

  • Spieldauer

    155 Seiten

  • Erscheinungsdatum

    24.04.2020

© Musikreviews.de