Von der Corona-Pandemie haben BLACK STONE CHERRY im Frühjahr 2020 zunächst nichts mitbekommen, weil sie abgeschottet in der Pampa von Kentucky an ihrem neuen Album arbeiteten. Wie bei mehreren anderen Bands auch wirken die Texte ihrer aktuellen Songs jedoch gespenstisch gegenwartsrelevant und lassen sich auf die Situation münzen, in der sie erscheinen.
Das siebte Studioalbum der US-Superstars, die es wie keine zweite Band verstehen, traditionellen Southern Rock mit breitbeinig gezocktem Alternative-Stadion-Kram für die Moderne zu versöhnen, wirkt ob gewollt oder nicht wie ein Fanal für - tatsächlich, die "Conditio Humana" … und wer sich nicht allzu eingehend mit den Inhalten der Tracks beschäftigen möchte, darf sich trotzdem auf ein schon jetzt zeitloses Hardrock-Werk freuen, an dem sich Alter Bridge, Stone Sour und wie sie alle heißen demnächst die Zähne ausbeißen werden, wenn sie wieder etwas Neues zur Diskussion stellen möchten.
Die Messlatte liegt in Anbetracht des kämpferischen Stampfers 'Again' (haarsträubend, wie mühelos die Gitarristen und Sänger Ben Wells und Chris Robertson zwischendurch Melancholie verbreiten, ehe sie sich selbst am Schopf hochzuziehen scheinen …), des funky pumpenden 'Live This Way' oder der im besten Sinn pathetischen Power-Ballade 'Devil In Your Eyes' sehr, sehr hoch. Selbst wenn man den textlichen Überbau verdrängt, kommt man nicht umhin, den Kerngedanken hinter "The Human Condition" zumindest zu spüren, wenn man die Platte hört.
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Sie dreht sich darum, Ungewissheit begrüßen zu wollen, um Sinn- und Glückssuche in einer chaotischen Welt, womit wohl jeder etwas anfangen kann. Dessen ungeachtet geht dem Material anders als erwartet jegliches Kalkül ab; im Vorfeld der Produktion gab es nur vier fertige Stücke, die restlichen wurden aus dem Stegreif komponiert, was auch den steten Vorwärtsdrang von BLACK STONE CHERRY 2020 erklären dürfte.
Eine wie nach ihrer Interpretation von Edwin Starrs 'War' absehbar fett aufgebohrte Coverversion des E.L.O. Klassikers 'Don’t Bring Me Down' und die finale Hymne 'Keep On Keepin‘ On' krönen ein Album, das kein Ende von BLACK STONE CHERRYs Erfolgswelle in Aussicht stellt, vor allem aber dick unterstreicht, dass die Band zu den wenigen Chartstürmern gehört, die sich nicht bloß um Oberflächen kümmern.
FAZIT: Der Titel mag doppelbödig sein ("menschliches Befinden" oder "menschliche Krankheit"?), das Urteil über "The Human Condition" ist jedoch eindeutig - BLACK STONE CHERRY bleiben im 19. Jahr ihres Bestehens sie selbst, bieten aber einen emotionalen Mehrwert, der dem gegenwärtigen Weltgeschehen geschuldet sein könnte oder nicht, aber in jedem Fall hervorragend hineinpasst. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/5573ec90d8324b8ea26b87f0fdafa541" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.10.2020
Jon Lawhon
Chris Robertson, Ben Wells
Chris Robertson, Ben Wells
John Fred Young
Mascot / Rough Trade
46:47
30.10.2020