Ein ganz schön grob von der Zunge rollender Titel für ein Album von Emmett Ellis Jr. alias Bobby Rush … „Rawer Than Raw“ ist nichtsdestoweniger ein gewohnt einfühlsames und natürlich musikalisch einmal mehr sehr "blaues" Werk (zumal auf "Raw" anspielend, seine erste Akustik-LP von 2006). Wenn der Künstler seine Songs mit immerhin 86 (!) Lebensjahren über ein eigenes Label vertreibt, wie es nunmehr der Fall ist, reflektiert dies lediglich, wie scharf sein Verstand und wie groß seine Freude an neuer Musik weiterhin sind, wobei …
Neu ist an "Rawer Than Raw" strenggenommen wenig. Es handelt sich um eine Coverplatte, auf der sich Rush teilweise mit Künstlern beschäftigt, deren Wege seinen eigenen im Lauf der Zeit gekreuzt haben, doch natürlich wird auch in der Ursuppe (Robert Johnson) gerührt und eine Handvoll Eigenkompositionen herausgehauen, sodass letzten Endes eine verhältnismäßig bunte Hommage an die Blues-Geschichte der Region am Mississippi entstand.
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Das "Heraushauen" darf übrigens im wahrsten Sinn des Wortes begriffen werden: So locker, wie der Altehrwürdige seine jüngsten Aufnahmen aus der Hüfte schießt, möchte man es oft von weit jüngeren Semestern nicht nur im Blues hören. Mit den Eigengewächsen 'Let Me in Your House', 'Let's Make Love Again' und 'Garbage Man' pflanzt Rush scheinbar mühelos Setzlinge mit langen Wurzeln, die wie leise, von mehr Erfahrung zeugende Pendants zu seinem Frühsiebziger-Durchbruchshit 'Chicken Heads', auch wenn sich dieser Vergleich für manchen vielleicht verwegen liest.
Das ausgesprochen Country-lastige Material wird weitgehend von Mundharmonika und Gitarre sowie natürlich Rushs markanter, verlebter Stimme getragen. Davon abgesehen, dass er sich musikalisch vor Skip James, Howlin Wolf, Sonny Boy Williamson II und Muddy Waters verbeugt, sind es seine Interpretationen von 'Down in Mississippi' (J.B. Lenoir) und 'Sometimes I Wonder' (Otis Spann), die auf "Rawer Than Raw" den stärksten Eindruck hinterlassen, weil der Altmeister dem Hörer hier so nahe kommt wie sonst nirgendwo.
FAZIT: Emotional intensiver, minimalistischer Akustik-Blues mit Soul-Einsprengseln, dargeboten mit der Versiertheit einer Legende und gekrönt von einer urgewaltigen Stimme - Bobby Rush darf unseres Erachtens noch ein Dutzend Platten von solcher Qualität wie "Rawer Than Raw" heraushauen. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/12cdc75ee67f4f999673e6693cf2de9a" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.08.2020
Deep Rush / Thirty Tigers
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28.08.2020