Die Chancen standen wahrlich nicht schlecht, dass es CANIS DIRUS mit ihrem dritten Album gehörig vermasseln: Das amerikanische Duo hat eine siebenjährige Auszeit hinter sich, in der die eigene Musik aufgrund zehrender Herausforderungen andernorts keine Rolle spielte, und im Anschluss an solch einschneidende Lebensphasen geraten etliche "Comebacks" halbgar, (zu) kraftlos und uninspiriert, weil man halt mehr oder weniger nostalgisch daran anknüpft, was man auch früher schon gemacht hat, doch mittlerweile eben nicht mehr mit vergleichbarem Feuer.
Das trifft auf CANIS DIRUS zum Glück größtenteils nicht zu: Todd Paulson (alle Instrumente) und Schreihals Rob Hames greifen den alten blass-roten Faden nicht nur auf, sondern sie greifen an und lassen es im Opener "We Are The Ancient Ones" finster und gewaltig krachen. Hames' "Gesang" wird bereits hier nicht wenige Hörer vertreiben, die auf gemütliche Waldschrat-Musik hofften. Nachdem der Nebel auf zwei Album- und einem EP-Cover Wälder, Seeen und Berge umwallte, markiert das Arrangement der Schädelknochen auf dem jüngsten Werk eine neue Ausrichtung, und die ist so vielgestaltig wie ungewöhnlich - auch, wenn die Wurzeln im Black Metal von Burzum immer noch in dunkle Tiefen dringen.
Der zweite Song "Father" wartet mit ruhigem, dämmerigen Neofolk im Stile von OTWATM auf, stellt also quasi eine erste Verschnaufpause dar. Für manche mag das atmosphärisch nahe liegend sein, für andere einen ärgerlichen Stilbruch darstellen. Doch CANIS DIRUS haben die Bestie nicht entfesselt, um mit ihr um Gegenliebe zu betteln. Das sich anschließende "The Child And The Serpent" vermählt Melancholie, Verzweiflung und Abscheu irgendwo zwischen Post-, Depressive- und Black Metal. Kein Lied für die nächste Gartenparty. "To Cast The Runes" beschließt die A-Seite vergleichsweise entspannt, um schließlich den musikalischen Kniefall vor dem Wegbereiter des Ein-Mann-Black-Metal zu vollziehen. Über der handgemachten Musik schwebt der deutliche Hinweis "atmosphere above all".
Die B-Seite beginnt mit "Extreme Might Of Resolve", einem scheinbar primitiv gezimmerten Black-Metal-Hassbatzen, dessen karge Silbensaat Rob am Rande des Wahnsinns raus rotzt, bevor der Song eine ungeahnte Wendung und das Tempo heraus nimmt, um nach kurzer Verschnaufpause einen Haken zum epischen Heavy Metal zu schlagen, stampfendes Midtempo, Achtziger-Riffs und Gitarrensolo inklusive. Verrückt? Im Anschluss daran tönt das knapp 16-minütige "Unyielding" fast schon versöhnlich, und an das Wechselspiel von Schwarzmetall und akustischer Wanderklampfe haben sich die Hörer, die bis hierhin durchgehalten haben, allmählich auch gewöhnt.
FAZIT: Der Albumtitel "Independence To The Beast" bringt Charakter und Marschrichtung des dritten Albums von CANIS DIRUS hervorragend auf den Punkt. Dieses Biest möchte nicht gezähmt werden, widerstrebt allen Vereinnahmungsversuchen, und springt zwischen Natur-inspiriertem Black Metal und Neofolk hin und her, ohne sich auch nur ansatzweise für psychedelische Zwischenspiele, Old School Metal, DIY-Sound mit punkigen Nuancen oder grenzwertige Drum-Computer-Garstigkeit zu schämen. Harmoniebedürftige sollten um dieses Album einen möglichst großen Bogen machen und z.B. zu Alcest greifen - wer jedoch sperrig-raue Musik mit Tiefgang mag, der sollte hier wenigstens mal in einem ruhigen Moment reinhören. Es lohnt sich!
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.06.2020
Todd Paulson
Rob Hames
Todd Paulson
Todd Paulson
Todd Paulson (programmed)
Bindrune Recordings
50:26
19.06.2020