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Chandeen: Mercury Retrograde

Stil: Indie Pop

Cover: Chandeen: Mercury Retrograde

30 Jahre sind CHANDEEN jetzt schon im Geschäft … und waren von Beginn ihrer Laufbahn an Vorarbeiter am Schmelzkessel für klassischen New Wave, Dream Pop sowie Rockmusik im Allgemeinen. Heute erscheint ihre Musik zwar ungleich weniger "revolutionär", doch das tut ihrer Qualität - und konkret dem Reiz von „Mercury Retrograde“ - keinen Abbruch.

Die Scheibe steht konzeptionell im Zeichen von Sternkunde und -deutung, den Steckenpferden von Komponist Harald Löwy und Sängerin Julia Beyer, lässt sich aber aus rein musikalischer Perspektive nicht so prägnant auf den Punkt bringen. Der rein instrumental gehaltene Opener 'Summer's Fling' klingt mitsamt "Dark Side Of The Moon" Saxofon wie dezent elektronisch verbrämte Pink Floyd, ehe die melancholische Vorab-Single 'Vanish' mit Akustik-Klampfe als prägendem Gestaltungsmittel und das mit zusätzlichem Klavier ausgestattete 'I Don't Care If I'm Wasted im Grunde ganz traditionelle Singer-Songwriter-Balladen darstellen.

In den meisten Stücken steht das perlende Gitarrenspiel von Multi-Instrumentalist Florian Walther im Brennpunkt, der sich wie bereits häufig in der Vergangenheit als heimlicher musikalischer Leiter hervortut. In CHANDEENS neuen Klanglandschaften gibt es ansonsten mehrere international besetzte Gästeplätze - die Sängerinnen Holly Henderson Odile und Kitty sowie Liedermacherin Jennifer Pague -, die offensichtlich nicht willkürlich besetzt wurden. Im Rahmen der Vermählung natürlicher Tongeber mit artifiziellen Klangerzeugern, die das Projekt so feinfühlig wie nur wenige betreibt, bereichern die jeweiligen Stimmen das Material um weitere Klangfarben.

Die nie bis zur Unerträglichkeit (für den Massengeschmack) spukhafte Gesamtatmosphäre der Platte entlarvt das federführende Duo zwar wieder einmal als Romantiker, dies allerdings mit einem Hang zu doppelbödigen Lyrics, wie beispielsweise das monotone Narrativ ''Cause It’s Slow' belegt. Dröhnt diese Nummer noch am Rande des Space Ambient im Zeichen der Berliner Schule, wirkt 'Ocean Mind' wesentlich nahbarer und obendrein wie ein vertonter Dauerseufzer.

Das sehnsüchtige 'You're In A Trance' markiert zu Beginn des letzten Drittels den Höhepunkt der Platte, ohne dass der Rest unerheblich wäre - im Gegenteil, innerhalb von genau 43 Minuten wirkt "Mercury Retrograde" wie aus - Achtung, Floskel - einem Guss.

FAZIT: CHANDEENs zehntes Studioalbum steht mustergültig für ein Verständnis von Traditionspflege, die sich nicht rückwärts richtet, sondern mithilfe des Guten von "damals" vorwärtsstrebt. Das Projekt innoviert nicht auf Teufel komm raus, sondern perfektioniert seine Art des Songwritings "nur" ein Stück weiter und bietet wie beiläufig zeitloses Liedermachertum vom Feinsten. „Mercury Retrograde“ ist deshalb sehr nahrhaftes Futter für Freunde der Downtempo-Fackelträger Mazzy Star, frühen Massive Attack oder Portishead, allerdings deutlich zuversichtlicher als deren dystopische Musik. <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/c0c1f576f899434cb891aea86f3e0e00" width="1" height="1" alt="">

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.02.2020

Tracklist

  1. Summer's Fling
  2. Vanish
  3. Don't Care If I'm Wasted
  4. Let There Be Fire
  5. All Ghosts
  6. Ocean Mind
  7. You're In A Trance
  8. Wild At Heart
  9. 'Cause It's Slow
  10. Light

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Kalinkaland / Broken Silence

  • Spieldauer

    43:00

  • Erscheinungsdatum

    28.02.2020

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