Als Sprachrohr der jüngsten Country-Generation lässt man sich Charley Crockett gern gefallen. Der Texaner gibt sich lakonisch wie die alten Meister, verzichtet aber auf jegliches (meistens sowieso aufgesetztes) Pathos und glatt gebügelten Schönklang, wie er dieser Tage nicht nur in Nashville fabriziert und als authentisch feilgeboten wird.
Die teils von Pat McLaughlin und Dan Auerbach mitkomponierten Stücke des Singer-Songwriters klingen im besten Sinn staubtrocken, während die Grenzen nicht unbedingt verbindlich zwischen Soul und klassischem Rhythm 'n' Blues abgesteckt sind, da sich Crockett hier und dort auch zu richtiggehend filmreifem Psychedelic Rock hinreißen lässt. Letzten Endes spiegelt sich sein breitgefächerter privater Geschmack in den Songs auf "Welcome To Hard Times" wider.
Vom Band rollen dann eben meistens alte Road Movies, während aus den Songtexten durchschimmert, dass wir alle gute Miene zu einem vorbestimmten bösen Spiel machen; demgemäß sollte man jede Situation möglichst zum Besten ausleben, solange man die Umstände nicht beeinflussen kann. Das leutselige Titelstück zu Beginn setzt die Grundstimmung fest, wobei sich Crockett und seine Zuarbeite oft darin gefallen, vergnügt mit warmem Hammondorgel-Unterfutter vor sich hin zu klimpern.
Seicht ist daran allerdings allein schon deshalb nichts, weil der chronisch herzkranke Musiker, der dem Tod kürzlich knapp von der Schippe sprang, das lebenswichtige Organ quasi auf der Zunge trägt. Die sehnsüchtige Final-Ballade 'When Will My Troubles End' sagt bereits mit ihrem Titel eine Menge darüber aus, und das tanzbare 'Tennessee Special', das jazzige 'Fool Somebody Else', das schummrige 'Lily My Dear', das Tingeltangel-Getorkel 'Black Jack County Chain', das träumerische 'Don't Cry' … sie alle sind musikalisch unterhaltsam erzählte Geschichten von entweder allzu Menschlichem oder zeitlos Alltäglichem.
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Das flotte, aber dennoch leise Doppel aus 'Run Horse Run' und später 'Paint It Blue' kommt mit ausgeprägtem Cajun-Flair daher, woran sich auch 'Oh Jeremiah' mit typischem Flat-Picking und bittersüßen Lapsteel-Lines orientiert, alldieweil Crockett zumeist mit ein bisschen Reverb auf der Stimme croont.
FAZIT: Toller, ursprünglicher und dennoch musikalisch wie textlich brandaktueller Country-Stoff voller leiser Töne, die sehr laut nachklingen - Charley Crockett gehört in der Tat die Zukunft dieses altehrwürdigen und deshalb leider oft auch arg verstockten Stils. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/c2e18eaf456b4a5dbd9d7b6e47a20179" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.07.2020
Son of Day-Thirty Tigers / Membran
46:20
31.07.2020