Bastille-Sideman Charlie Barnes ist und bleibt ein Unikum und Garant für unvorhergesehene wie unvorhersehbare Musik. Zwei Jahre nach dem opulenten "Oceanography" gibt er sich minimalistischer und sparsamer in Sachen Arrangements, wohingegen der Vorgänger latente Queen- und Roxy-Music-Vibes hatte. Das gesamte Material auf "Last Night's Glitter" war einmal als Bonustracks für andere Releases, zur rein digitalen Auswertung via Online-Video oder eine EP gedacht.
Schließlich fand der Brite die Sachen dann doch zu gut für solche Zwecke, weshalb es sich so gesehen nicht um sein richtiges drittes Album handelt, gleichwohl es uneingeschränkt hörenswert und sozusagen "vollwertig" ist. Alles entstand im Rahmen selbstauferlegter Beschränkungen, nichts mit Effekten zu belegen oder Spuren übereinanderzuschichten, und dementsprechend "live" klingt das Ganze nun auch.
Einzig das abschließende Titelstück stellt keine Neubearbeitung mehr oder weniger älterer Ideen dar, sondern ist ganz frische Komposition und für den Multi-Instrumentalist ein Schlüsselsong, wie er selbst sagt - eine für ihn als Menschen wie Künstler hervorstechende Nummer von besonderer Tragweite.
So oder so, idealer hätte Barnes seine Stimme - seinen Hauptposten - nicht in Szene setzen können, denn zwischen gezupfter Akustikgitarre, hin und wieder süßlichen Lapsteel-Tönen sowie den sporadischen Beiträgen von Geigerin Ciara Ismail, Saxofonist Rittipo, der auch Klarinette spielt, und Blechbläser (Flügelhorn, Trompete) Johnny Abraham könnte sie kaum besser aufgehoben sein bzw. heller leuchten.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/0AhQ7ylZHv0" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
Barnes wäre letztlich aber doch nicht er selbst, hätte er keine Ergänzungen vorgenommen, wobei er es sich einfach machte und zugleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlug: ältere Aufnahmen wurden zweitverwertet, konkret Chorpassagen aus dem Track 'Sing To God' und eine Mellotron-Spur aus 'Ruins', dazu Streicher-Parts von seinem ersten Longplayer "More Stately Mansions". Hinzu kamen dann noch ungewollte "field recordings" respektive Einstreuungen - Vögel im Garten des Künstlers, plätschernder Regen und auch Charlies Hund.
FAZIT: Song-Vignetten mit Session-Charakter, intim gleich vertonter kreativer Initialzündungen und in keinem Fall unfertig - Charlie Barnes schafft mit "Last Night's Glitter" eine unverhofft "ökonomische" wie eindringliche Singer-Songwriter-Platte mit Artrock-Charakter, ohne dass etwas darauf rocken würde. Kunststück? Aber hallo! <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/c707288649fa41e894feec071129f6f5" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.06.2020
Superball / Sony
37:52
03.07.2020