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Dark Tranquillity: Moment

Stil: Melodic Death Metal

Cover: Dark Tranquillity: Moment

Im 31. Jahr ihres Bestehens dürfen DARK TRANQUILLITY stolz darauf sein, die wohl tiefste Krise ihrer Laufbahn überwunden zu haben. Immerhin mussten sie Menschen und Mitmusiker ziehen lassen, der in nicht unwesentlichem Maß für ihren internationalen Erfolg verantwortlich zeichnete, nicht zu vergessen die Aufgabe, auch ohne ihn weiterzumachen. Dass nun zwei Szene Promis Mitbegründer Niklas Sundin ersetzen, erweist sich tatsächlich nicht als Effekthascherei, sondern Glücksfall.

Christopher Amott (ehemals Arch Enemy, Armageddon) und Johan Reinholdz (Andromeda, Nonexist) gliedern sich nach einer gründlichen Gewöhnungsphase nahezu perfekt ein, ohne ihren jeweils eigenen Stil komplett aufzugeben. Als Nachfolger der in jeder Hinsicht runden 2016er LP "Atoma" stellt "Moment" ein harmonisches Gleichgewicht zwischen praktisch allen Schaffensperioden der Gruppe her - ergänzt eben um frische Zwischentöne der zwei Neuen im Kader. Nicht nur Sänger Mikael Stanne greift im Opener ‚Phantom Days‘ Begriffe auf, die er schon in der Vergangenheit verwendet hat („uncontrol“); die ganze Mannschaft orientiert sich an der rasanten Gangart ihrer frühen Tage, wie um zu betonen, dass trotz personeller Veränderung alles im Großen und Ganzen beim Alten bleibt.

Von Schema F in Dauerschleife kann bei den zur Hälfte von Drummer Anders Jivarp komponierten Stücke nichtsdestoweniger kaum die Rede sein. Ein balladeskes, auf Martin Brandströms Synthesizer gründendes Stück wie 'Identical to None' könnte genauso wie das darauffolgende 'The Dark Unbroken' inklusive klarer Vocals aus "Projector"-Tagen stammen, wäre da nicht ein Mehr an Gitarren, das sich rasch als eines der Hauptmerkmale des Albums herauskristallisiert. Im thrashig dramatischen, während des Refrains melancholischen 'Standstill' ist es dann, als wollte das Sextett seine ruhige und derbe Seite auf eine Weise versöhnen, an der sich in Zukunft nichts mehr optimieren lässt.

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Ob sich die auffallend vielen weiteren Tracks der eher bedächtigen Art ('Ego Deception', 'A Drawn Out Exit', 'Empires Lost In Time' mit poppig industriellen Zwischentönen) darüber hinaus, dass sie Stannes eindringliche und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung brandaktuellen Worte in den Fokus rücken, als Dauerbrenner bewähren werden, entscheidet die Fangemeinde der Band; unabhängig davon demonstrieren sie vorbildhaftes Songwriting mit immer noch dicken Wurzeln im skandinavischen Melodic Death Metal, wie es sonst niemand (!) in der gegenwärtigen Szene beherrscht.

FAZIT: DARK TRANQUILLITYs zwölftes Album bietet nach zeitweiliger besetzungstechnischer Instabilität vertonte Konsolidierung, versetzt mit ein paar frischen Spritzern und einigen der stärksten Lyrics, die ihr Frontmann jemals geschrieben hat. Während er das Vertraute an der Band so aufregend macht wie seit Langem nicht, zeigen die zwei neuen Gitarristen zu gleichen Teilen virtuose Qualitäten und die Klasse, sich dem Team unterzuordnen. Ein ideales Intro fürs nächste Bandkapitel? Zweifellos. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/1355a26ea0a84b4ab91aca503e202c11" width="1" height="1" alt="">

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.11.2020

Tracklist

  1. Phantom Days
  2. Transient
  3. Identical To None
  4. The Dark Unbroken
  5. Remain in the Unknown
  6. Standstill
  7. Ego Deception
  8. A Drawn Out Exit
  9. Eyes of the World
  10. Failstate
  11. Empires Lost to Time
  12. In Truth Divided
  13. Silence as a Force
  14. Time in Relativity

Besetzung

  • Bass

    Anders Iwers

  • Gesang

    Mikael Stanne

  • Gitarre

    Christopher Amott, Johan Reinholdz

  • Keys

    Martin Brandström

  • Schlagzeug

    Anders Jivarp

Sonstiges

  • Label

    Century Media / Sony

  • Spieldauer

    50:04

  • Erscheinungsdatum

    20.11.2020

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