Daver Kerzner bleibt seiner Praxis treu, nach einem Studioalbum ein aufgepepptes Live-Epos zu veröffentlichen. Das gut zweistündige „Static Live“ stellt das gleichnamige Studiowerk komplett in den Mittelpunkt (der Longtrack „Carnival of Rows“ ist der Opener der zweiten CD), ergänzt um weitere Songs aus Kerzners Soloschaffen plus ein bisschen „Sound Of Contact“ („Not Coming Down“) und zwei neue Studiostücke, die jeweils den Ausklang der CDs darstellen.
Die Live-Interpretation von „Static“ ist nicht meilenweit vom Studio-Original entfernt, die Unterscheide in den Lauflängen liegen meist im Sekundenbereich. Das Ganze wird etwas rauer, straighter und unmittelbarer interpretiert, was dem Gesamtkonstrukt gut steht. Das ist wieder abwechslungsreicher, gut abgehangener, melodiöser Prog, der seine Vorbilder und Freunde kennt und den ehemaligen IT BITES-Gitarristen Francis Dunnery bei zwei Stücken zu Gast hat. PINK FLOYD sind etwas nach hinten gerutscht, bekommen aber natürlich die ein oder andere kräftige Würdigung („State Of Innocence“, mit Durga McBroom und hochgepitchtem Cello(?), „Stranded“). STEVEN WILSON kuckt vorbei, ebenso GENESIS; doch näher noch sind RPWL, vor allem, weil Kerzners Gesang stellenweise an den von Yogi Lang erinnert („Right Back to the Start“, „New World“).
Insgesamt bleibt Kerzner aber vergleichsweise eigenständig, erlaubt sich mit seinen fähigen Mitstreitern zudem kleine experimentelle Ausflüge. Blues wird allenthalben hofiert und Reggae ein bisschen geprobt (beides beim „Millennium Man“), dazu gibt es ein wenig Gefrickel, Krach und einen kurzen Trip Richtung PORCUPINE TREE proben Alternativrock („My Old Friend“). Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Areale des gepflegten Wohlklangs werden nur um Haaresbreite verlassen. Die Musik bleibt immer gepflegter Schmuseprog, bei dem halt im Eifer des Gefechts stellenweise deftiger gekuschelt wird. Das beherrschen Kerzner und Kolleg*innen ausgesprochen gut. Klanglich ist das Album ebenfalls fein geraten. Rückt schon in die Nähe einer Studioproduktion, weshalb sich die neuen Tracks auch nahtlos einfügen („Breakdown“ mit leichtem Industrial-Touch). Was, wenn man es negativ auslegen möchte, ein bisschen zu Lasten der Live-Atmosphäre geht. Doch wir sind nicht negativ, und der Genussfaktor überwiegt.
FAZIT: Dave Kerzner hat wieder ein prall gefühltes Live-Doppelalbum mit gefühlvollem konzertanten Prog am Start. Bei allem Wohlklang kantig und kräftig genug, um nicht als weichgespülte Klangwäsche zu enden. Das komplette „Static“-Album wird zelebriert, weshalb Besitzer*innen desselben Probe hören sollten, ob sie die geschmeidige Konzert-Ergänzung zum gefälligen Original brauchen. Neben ein paar Songs aus früheren Schaffensphasen gibt es als Bonus zwei knuffige neue Tracks von insgesamt knapp zehn Minuten Länge. Solides Programm, solides Paket. Wer diese Art von Musik mag und „Static“ nicht besitzt, bekommt eine uneingeschränkte Empfehlung zum Zugreifen.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.01.2020
Andy Robbins, Fernando Perdomo
Dave Kerzner, Fernando Perdomo, Derek Cintron, Ruti Celli
Dave Kerzner, Durga McBroom, Fernando Perdomo, Francis Dunnery
Dave Kerzner
Derek Cintron, Fernando Perdomo
Ruti Celli (cello)
RecPlay Inc./Just For Kicks Music
CD1: 64:55 / CD2: 62:09
28.10.2019