David Kollar ist und bleibt ein rigoroser Klangforscher und Underdog zugleich. Steven Wilson hätte ihm zu internationaler Bekanntheit verhelfen können, doch statt mit dem Prog-Rock-Darling auf Tour zu gehen, führte er lieber sein nächste, abermals ambitioniertes und intellektuelles, aber nicht verkopftes Projekt zur Vollendung.
Der Titel "Sculpturing Time" deutet schon an, dass sich der Gitarren-Grenzgänger mit den Synergieeffekten zwischen Musik und Bildkunst beschäftigt. Während er sich wie fast schon von ihm erwartet von Ambient über futuristische Synthesizer-Sounds zu Rock- wie Jazz-Anleihen und wieder zurück bewegt, beruft er sich u.a. auf den Maler Peter Popelka, von dem auch das Cover des Albums stammt, und die Theorien von Regisseur Andrzej Tarkowski.
Die Liste seiner Gehilfen liest sich unterdessen mit Respekt, wurde die langwierige (die Musik entstand ab Oktober 2018) Produktion doch von den beiden Trompetern Eric Truffaz und Arve Henriksen sowie Schlagzeuger Pat Mastelotto (trägt ein Gedicht vor, das 'Prisoner of Time' zugrunde liegt) und dem zweiten Gitarristen Christian Fennesz begleitet.
Nichtsdestoweniger wird "Sculpturing Time" nur selten laut. Der Einstieg 'Tendre Lundi' gibt mit gedämpften Trompeten und mehreren Unisono-Passagen die grobe Richtung vor: verspielt, aber nicht plakativ virtuos. Manchmal brauchen die Protagonisten nur wenige Töne ('Sick Doll's Dream'), ein andermal schwillt das Klangbild dick an, was gegen Ende häufiger und zugleich immer subtiler geschieht.
Einher geht damit eine verloren melancholische Grundstimmung, die durchaus nicht ohne Hoffnung bleibt. Solch urbane und trotzdem irgendwie natürlich ursprüngliche Musik - höre insbesondere 'Reflections' - würde Miles Davis womöglich heute machen. Darüber hinaus kommen zum Vergleich Namen wie Eivind Aarset, Nils Petter Molvær oder - um auf Deutschland zu verweisen - Alex Gunia in den Sinn.
FAZIT: "Sculpturing Time" ergänzt David Kollars Diskografie um ein weiteres abstraktes, kühl reserviertes und dennoch nicht unnahbares Werk - konzeptionell lose durch die drei 'Episode'-Tracks geklammert, derweil der Vorzeige-Experimentalist mit Drones bzw. auf unterschiedliche Weise erzeugten Bordun-Tönen arbeitet und sich in einer Abhandlung über strukturierte Zeit (Musik also) im Verhältnis zu visueller Kunst bis zur überraschend konventionellen 'Balada for Jozef', einem einträchtigen Finale, hinarbeitet. <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/3e54d96cca8e45a3860479bd216ef9e6" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2020
Hevhetia
52:22
17.01.2020