Was sich auf dem Papier wie „mehr Retro geht nicht“ liest, klingt im Fall von DeWolffs neuem Album fast innovativ, auch wenn im Grunde nur der Vintage-Gedanke fortgesponnen wird. Grundsatzdiskussionen über die Integrität von vorwärts- gegenüber rückwärtsgewandter Musik mögen andauern: Die frechen Niederländer machen einen Ausfallschritt und legen mit ihren zwölf neuen Songs eigentlich keine richtige LP vor.
Die halbe Stunde Musik, eingespielt dem Titel entsprechend mit einem alten Achtspurbandrekorder des gleichnamigen Herstellers, hat kaum etwas mit dem energetischen Orgelsound zu tun, der die Band ins vordere Drittel der europäischen Classic-Rock-Szene katapultierte. Stattdessen ergeht sie sich sie sich während 'Blood Meridian I' oder 'Made It To 27' in Funk und Soul mit einem Hit-Potenzial, das Motown zu Hochzeiten würdig gewesen wäre, gleichwohl von opulenten Arrangements oder einer ordentlichen Produktion strenggenommen keine Rede sein kann.
Das elektronische Rhythmusfundament weist einen Beatbox- und Sample-Charakter auf, der im hypnotischen 'Love Is Such A Waste' (auch wegen des Sprechgesangs) endgültig Assoziationen zu ganz frühem Hip Hop weckt. Die reduzierte Ballade 'Rain' und das von einem charmant billig schwirrenden Weltraumsynthesizer getragene 'Blood Meridian II' spiegeln die 50 Euro Entstehungskosten wider, sind aber ebenso wenig Outtakes wie der Rest. "Tascam Tapes" wirkt für das Trio typisch wie aus einem Guss und zugleich so famos verschroben wie zuletzt sein Debüt.
FAZIT: Nach ihren Live-Alben und einer stilistisch relativ konstanten jüngeren Diskografie hätte man nicht geglaubt, dass DeWolff noch für eine Überraschung gut wären, doch in Form von "Tascam Tapes" ist ein Glücksfall eingetreten. Die immer noch recht junge Band hat sich ein Stück weit selbst neu erfunden und eine Reihe echter Retro-Soul-Rock-Knaller (oder so) komponiert, deren Substanz mit minimalen Mitteln aufgenommen maximal ausgereizt wurde. <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/9cd8c28b7eee4af7a35ce3963ec6bfe2" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.01.2020
Mascot / Rough Trade
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22.11.2019