<b>„Viele Deep-Purple-Aufnahmen sind von dem Bemühen gekennzeichnet, realitätsbezogene Situationen, Gedanken und Gefühle zu gestalten. Allein dadurch heben sie sich von den Massenproduktionen der kapitalistischen Musikindustrie ab, in denen verlogene Idylle und Scheinwelten, welche die werktätigen Menschen vom krisenbelasteten Alltag ablenken sollen, dominieren.“</b> (H.P.Hofmann auf dem Begleittext der 1977 in der DDR bei AMIGA erschienenen DEEP-PURPLE-LP)
Ach ja, es ist doch immer wieder mal eine riesige Freude, seine alten AMIGA-LPs aus dem Plattenschrank zu holen und die tief antikapitalistisch durchtränkten Begleittexte darauf zu lesen, die aus heutiger Sicht hohen Unterhaltungswert besitzen, aber anno 1977 todernst gemeint waren, selbst wenn die Band-Informationen durchaus sehr informativ und gut recherchiert waren, was dem Ostler, der sich stundenlang vor dem Plattenladen anstellte, um eine (Nie wusste man wirklich welche!) Lizenz-Platte in der Hand zu halten, durchaus wichtig war. Denn damals lebten wir schließlich hinter einer Mauer, hatten zwei Fernsehprogramme zur Verfügung und alles, was aus dem Westen kam, galt als dekadent und war meistens noch dazu verboten.
Ein Highlight der Lizenz-Platten war jedenfalls die „Best Of DEEP PURPLE“-LP mit Aufnahmen aus den Jahren 1970 – 1974 und dem Hinweis, dass sich DEEP PURPLE seit 1968 „zusammenrauften“, es aber „vom ersten Tage an Spannungen zwischen Lord und Blackmore“ gab, die „Stoff für zahlreiche Stories lieferten“. Nun denn, der eine der Beiden starb viel zu früh und der andere lebt noch, aber nunmehr im Mittelalter. Allerdings gleich drei Vertreter der (erfolgreichsten) 1970er-Band-Zusammensetzung (Bassist Roger Glover, Schlagzeuger Ian Paice und Sänger Ian Gillan) verleihen dem legendären Namen DEEP PURPLE nach wie vor eine klangvolle Aura, die sich in alter und zugleich neuer Qualität auf ihrem aktuell 21. Studio-Album „Whoosh!“ widerspiegelt, woran auch einer der namhaftesten Produzenten und Studiotechniker maßgeblichen Anteil hat: BOB EZRIN.
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Nunmehr ist nach „Whoosh!“ nichts mehr, aber auch gar nichts mehr davon zu spüren, was <a href="http://www.musikreviews.de/live/Deep-Purple/07-06-2017/" target="_blank" rel="nofollow">ihre letzte Live-Tour, betitelt als „The Long Goodbye Tour“</a>, anzukündigen schien: den großen Abschied! Denn wie Kollege Schiffmann bereits in seiner ausführlichen Review zur <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2020/Deep-Purple/Whoosh/" target="_blank" rel="nofollow">„normalen“ Album-Version</a> feststellt, sind DEEP PURPLE auch auf ihrem 21. Studio-Werk genau auf der richtigen Spur hin zu „einem würdevollen Alterswerk“, das zugleich so „abenteuerlustig“ wie bei Steve Morses Einstieg auf „Purpendicular“ klingt. Statt einem WinkeWinke purpelt es mit lauthalsem „Whoosh!“ und erhobener Faust wieder aus den Boxen und selbst eine Konzerttournee scheint möglich, allerdings nur, wenn es keinerlei Corona bedingte Einschränkungen oder Abstandsregeln geben sollte. In Planung jedenfalls sind Auftritte allemal.
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In jedem Falle ergänzen sich die drei alten Hasen Gillan, Paice und Glover mit den „Neuen“, Don Airey und Steve Morse, dermaßen perfekt, dass man glaubt, die „alten“ Purple hätten sich in einer Zeitmaschine in die Gegenwart gebeamt, wobei sie besonders live, mit ein paar Abstrichen bei Gillans Gesang, vollends überzeugen, weswegen auch unbedingt bei der Kaufentscheidung zum aktuellen Album zu einer Ausgabe mit der beigelegten DVD gegriffen werden sollte, da es so das komplette anderthalbstündige Konzert vom 16. Juni 2017 auf dem Hellfest im französischen Clisson mit dazugibt. Die Hälfte des Konzerts besteht zudem aus wahrhaften Purple-Klassikern („Lazy“, „Strange Kind Of Woman“, „Smoke On The Water“, „Space Truckin“ und „Black Night“) und weckt echte „Made In Japan“-Erinnerungen.
Alle Purple-Enthusiasten der ersten Stunden entscheiden sich sowieso für eine der Vinyl-Varianten, denn DEEP PURPLE hört man eben von Vinyl – und das nicht nur aus nostalgischen Gründen!
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Neben dem Konzert darf man zudem ein – leider nicht deutsch untertiteltes – Gespräch im Studio von BOB EZRIN gemeinsam mit ROGER GLOVER „belauschen“, in dem sie sich ausgiebig mit jeder Menge Klangbeispielen über die Entstehung des Albums, die einzelnen Stücke, alle Bandmitglieder, die Vergangenheit usw. austauschen.
Dabei plaudert Glover sogar aus dem DEEP PURPLE-Nähkästchen und Bob Ezrin erweist sich nicht nur als ein hervorragender Produzent und Studiotechniker, sondern auch als ein offensichtlicher Fan von DEEP PURPLE, der seine ganze Leidenschaft besonders in die Entstehung des nunmehr dritten von ihm produzierten Purple-Albums steckt! Die besonderen Momente und Raffinessen sowie die speziellen Kleinigkeiten, welche man bei dem Zwiegespräch erfährt und die man vielleicht sonst überhören würde, sorgen zugleich dafür, dass man nach diesem über einstündigen Gespräch das Album gleich nochmal (mit ganz anderen Ohren) hört.
FAZIT: Bei den Aufnahmen zu ihrem aktuellen Album „Whoosh!“ verfolgten DEEP PURPLE gemeinsam mit BOB EZRIN ein spaßig gemeintes Motto: „DEEP PURPLE bringen das DEEP zurück in das PURPLE!“ Hierbei überschreiten sie musikalisch alle Grenzen von Vergangenheit und Gegenwart und setzen offensichtliche Zeichen für die Zukunft! DEEP PURPLE sind in der Besetzung Gillan, Paice, Glover, Morse & Airey in bestechender Form. Musikalische Wandler zwischen den unterschiedlichen DEEP PURPLE-Welten, welche die Band seit 1968 immer wieder auf's Neue kreierte.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.08.2020
Roger Glover
Ian Gillan
Steve Morse
Don Airey
Ian Paice
earMUSIC/Edel Germany
Do-LP: 51:29 / DVD: 160:38
07.08.2020