Wie aus dem Nichts - zumindest hierzulande - platzt 'A Dark Murmuration of Words' in den hektischen Musikveröffentlichungs-Alltag und erweist sich als ultimative Entschleunigung, wie sie schon länger beispielsweise auch Lindsay Fuller betreibt (tolles neues Album "The Last Light I See" übrigens!), wobei Emily Barker allerdings ungleich erfolgreicher ist als ihre Kollegin.
Ihr Gemisch aus Soul-, Blues-, Country- und Folk machte sie zu Hause bereits zum "UK Artist of the Year", doch diesen Bonus braucht man nicht als Aufhänger dafür zu nutzen, ihr neues Album über den grünen Klee zu loben. Es ist schlichtweg sowohl in kompositorischer als auch produktionstechnischer Hinsicht sagenhaft gut, aber eben keine bloße Stilübung, sondern zeigt eine beispiellos nahbare Musikerin mit Sendungsbewusstsein und persönlichem Ansatz zugleich.
Exemplarisch dafür stehen die Singles 'Return Me' (Herzschmerz-Opener) und 'The Woman Who Planted Trees', dessen Inspiration auf die kenianische Umwelt- und Menschenrechts-Aktivistin Wangari Maathai zurückgeht, die Gründerin der "Green Belt"-Bewegung. Das tief brummende, kratzige Gepolter 'Machine' ist indes ein charmanter Ausreißer, der das übergreifende Motto "self-empowerment", das für diese Scheibe gilt, lediglich unterstreicht.
Barker versteht ihr neues Werk schließlich in weiten Teilen als Befreiungsschlag, mit dem sie nach gescheiterter Beziehung und Sinnkrise zurück in den Schoß ihrer Familie zurückkehrte. Von Ängsten diesbezüglich zeugen 'Geography' mit schummrigem E-Orgel-Unterbau und das fast klassizistische 'Ordinary' mit hypnotischem Streicher-Arpeggio zu Beginn.
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Generell strotzt das Album vor Details, seien es gestrichene Cello-Einsprengsel oder verzahnte Melodien der Saiteninstrumente, fast jazzige Ausschweifungen im gegebenen (sehr intimen) Rahmen. Wenn 'When Stars Cannot Be Found' letztlich vor poetischer Pracht strotzt, wie es die Lieder der jungen Joni Mitchell taten, bleibt nur ein Schluss übrig …
FAZIT: Ein überwiegend akustisches Kammerspiel mit zahlreichen Anlehnungen bei großen Künstlerinnen der Liedermacher-Szene und trotzdem einer sehr eigenen Handschrift - Emily Barker sollte spätestens mit diesem Album auch über Großbritannien und die Vereinigten Staaten hinaus Freunde unaufgeregt emotionaler Musik jeglicher Couleur bezaubern. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/c4f41f7c8c9942c8b665a11bc3e56b71" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.09.2020
Everyone Sang-Thirty Tigers / Membran
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04.09.2020