Immer dann, wenn Bands in der Vergangenheit weltweiten Erfolg gehabt haben, werden die neuen Veröffentlichungen an den vermeintlichen Highlights des Portfolios gemessen, die mitunter eine geraume Zeit - im Falle GREEN DAYs - mittlerweile 26 Jahre zurückliegen. Das 1994 erschienene Album „Dookie“ verkaufte sich allein in den USA mehr als 10 Millionen Mal und gilt bis heute als Messlatte für alle weiteren Outputs des Trios.
Dass solche Interpretationsansätze per se zum Scheitern verurteilt sein müssen, dürfte klar sein, denn zwischen den beiden Outputs liegt nicht nur mehr als ¼ Jahrhundert, sondern insbesondere auch komplett geänderte, politische Verhältnisse und eine verrückt gewordene Musiklandschaft, in der sich durch den Verkauf physischer Tonträger kein Vermögen mehr verdienen lässt. Hinzu kommt die Resignation der in die Jahre gekommenen Jungspunde, denen im Laufe der Zeit die Sinnlosigkeit ihrer Weltverbesserungsvorschläge schmerzhaft klar geworden sein dürfte.
Folgerichtig ist ein Album entstanden, das Drummer Tré Cool als „Spaßplatte“ bezeichnet, das hörbar einfach „drauflos“ produziert wurde und unter dem Strich selbstredend kein Revoluzzer-Werk ist. Dass der zunächst geplante, provokante Titel „Father Of All Motherfuckers“ massenkompatibel zum banalen „Father Of All...“ entschärft wurde, sagt zudem allerhand aus.
Los geht es direkt mit dem Titel-Track „Father Of All...“, in dem Billie Joe Armstrong sich in der Strophe am Falsettgesang versucht, der außerdem noch stark verzerrt wird – also nicht unbedingt vertraut klingt. Dennoch eine fluffige Pop-Punk Nummer. „Fire, Ready, Aim“ und das rockige „Oh Yeah!“ sind unterhaltsame Songs, „Meet Me On The Roof“ bringt dann etwas mehr Tempo ins Spiel und erinnert an locker-flockigen Party-Rock im Stil SHOWADDYWADDYs.
„I Was A Teenage Teenager“ ist eine nette Pop-Punk-Nummer mit Ohrwurmqualitäten, bevor GREEN DAY dann weit in die Vergangenheit zurückreisen und sich mit „Stab You In The Heart“ ganz tief vor den BEATLES verbeugen. „The Hippy Hippy Shake“ hat hier wohl Pate gestanden, eine reinrassige Rock´n´Roll Nummer, die dennoch (oder gerade deshalb) irgendwie zündet.
„Junkies On A High“ liefert in der Folge tatsächlich noch einmal so etwas wie Gesellschaftskritik, „Take The Money And Crawl“ als Hommage an THE KINKS und „Graffitia“ beenden das Album standesgemäß mit Songs, die im Ohr bleiben.
FAZIT: GREEN DAY unterstreichen mit „Father Of All...“ ihre Wandlungsfähigkeit. Die Revoluzzer-Attitüde, die sie vor mehr als 25 Jahren kultivierten, ist einer melancholisch anmutenden Resignation gewichen, die sich in musikalischen Verbeugungen vor den oben erwähnten Heroen und in den Texten niederschlägt. Eine Scheibe, die Fans der ersten Stunde wohl weniger gefallen wird, unter dem Strich aber durchweg gute Unterhaltung bietet.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.03.2020
Mike Dirnt
Billie Joe Armstrong
Billie Joe Armstrong
Tré Cool
Reprise Records
26:16
07.02.2020