Anglizismen wie "Southern Gothic" und "Dark Americana" passen wie die berühmte Faust aufs Auge, wenn man Hannah Aldridges Musik beschreiben möchte. Die Amerikanerin verarbeitet darin traumatische Jugenderlebnisse, die sie nachhaltig prägten, und ist allein schon aufgrund dessen ein Garant für aufwühlend emotionale Musik. Drogenmissbrauch und toxische Beziehungen sind die Hauptthemen in ihren Texten (Stichwort Bigotterie im "frommen" US-Bundesstaat Alabama, wo sie aufwuchs), weshalb klar sein dürfte, dass die vorliegende Live-Platte, mit der das verantwortlich Label Europa für die erfolgreiche Liedermacherin sensibilisieren möchte, in inhaltlicher Hinsicht eher nicht die Sonnenseiten des Lebens abhandelt.
Auf "Live in Black and White" (mitgeschnitten in London) spielt die Tochter von Nashville-Produzenten-Ikone Walt Aldridge Songs über die vielzitierten "inneren Dämonen", die uns alle heimsuchen, weil ja im Grunde genommen jeder sein Päckchen zu tragen hat, und insofern ist das Album zwar harte Kost, aber leicht fassbar, und da die Künstlerin auch hervorragende Songs schreibt, steht einem intensiven Hörerlebnis nichts im Weg.
Nach dem ungewöhnlich zurückhaltende Einstieg mit 'Howling Bones' steht gleich in Form von 'Like Like You Love Me' - dargeboten im Duett mit Hannahs Dad - ein Highlight im Programm an. 'Goldrush', die Titelnummer ihres zweiten Studioalbums, intoniert sie hingegen an der Seite von Robbie Cavanagh, und 'Black and White' ist das minimalistischste Stück im Aufgebot, alldieweil der unmittelbare Charakter, den idealerweise jede Konzertaufnahme besitzt, immerzu erhalten bleibt.
'Save Yourself' wurde indes gemeinsam mit The Black Feathers aufgenommen, 'Rails to Ride' mit Goat Roper Rodeo, und während des über sechsminütigen Mini-Epos 'Lace' ist Danni Nicholls (deren 'First Cuckoo of Spring' kennt ihr vielleicht aus der Serie "Sons of Anarchy") zu hören.
Hannah, die 2014 mit dem Longplayer "Razor Wire" an der Seite von Jason Isbell debütierte, geht mit diesen maximal reduzierten Arrangements quasi zu ihren Wurzeln als Lagerfeuer-Gitarristin und Sängerin zurück; die beiden Zugaben 'Lonesome' und 'Burning Down Birmingham' passen dementsprechend auch als dramatische und doch ganz leise Schlussätze, nach denen eigentlich nichts mehr folgen kann.
FAZIT: "Live in Black and White" gibt einen weiteren Beleg dafür ab, wie eindringlich nur mit Akustikgitarre und Stimme gemachte Musik sein kann, und etabliert Hannah Aldridge hoffentlich langfristig in der "Alten" Welt. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/8bad3655e7b64c4687703cb6672e065b" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.08.2020
Icons Creating Evil Art / Rough Trade
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14.08.2020