Lidlose ("Lidless") Augen sehen nicht lange, weil ihr Besitzer nicht blinzeln kann, weshalb sie rasch austrocknen … Was das mit HUMAVOID zu tun hat, fragt man sich beim Hören ihres aktuellen Albums bis zuletzt.
Exzentrisch ist die finnische Formation aber nichtsdestoweniger. Ihr Hauptanziehungspunkt heißt Suvimarja Halmetoja und spielt nicht nur Keyboard, sondern steht auch mit ihrem eigenwilligen Sprechgesang, der nur selten traditionell melodisch wird, im Mittelpunkt des Geschehens. Die technisch (lies: rhythmisch arg vertrackt) orientierte Musik der Gruppe erfordert aber auch keine eingängigen Tonfolgen, weil sich die Kernideen der Songs jeweils "klopfen" statt summen lassen.
Von den Einflüssen aus dem Fusion bzw. Jazz Rock, die sich HUMAVOID auf die Fahnen schreiben, hört man allerdings nicht wirklich etwas auf "Lidless". Einschmeichelnd perlende Klavierpassagen (in 'Aluminum Rain' gastiert immerhin Freiform-Pianist Iiro Rantala), die man eher im Pop (!) verorten oder anderen Solomusikerinnen wie Tori Amos zuschreiben könnte (wohlgemerkt unter Ausblendung der Band-Arrangements natürlich), werden nicht selten von den markerschütternd brutalen Riffs untergebuttert, die den Sound der Band letzten Endes bestimmen.
Das teilweise angeblich improvisierte Schlagzeugspiel kommt genau auf den Punkt, was "Lidless" jenen erwartbar mathematischen Klangcharakter verleiht, den man aus der Ecke der vielen anderen Meshuggah-Nachahmer neben dieser Band erwarten darf.
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Auf kompositorischer Ebene herrscht bei HUMAVOID geordnetes Chaos. Die Konzert-erprobte Combo bemüht sich redlich, mitreißende und zugleich "originelle" Songs zu schreiben, scheitert aber an ihrer verkrampften Exzentrik. Eingedenk der 'Inside'-Zwischenspiele ergibt sich zwar halbwegs so etwas wie ein Flow doch im Großen und Ganzen bleibt "Lidless" ein zu beliebiges, eigenartig emotionsloses Album, so sehr sich die Protagonisten auch ins Zeug legen mögen.
FAZIT: "Lidless" von HUMAVOID ist etwas für Fans von Jinjer, Meshuggah und In This Moment, gleichwohl man von der finnischen Truppe weder Hits wie bei den Letztgenannten noch überhaupt ausgesprochen nachhaltige Kompositionen erwarten darf. Der Anspruch der Musiker*innen an sich selbst ist hoch, die Ausbeute an langfristig spannendem Stoff schmerzlich niedrig. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/ad892f81d6b2409a9f662c8042bcd9f5" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.08.2020
Noble Demon / Edel
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21.08.2020