Gute Laune gefällig? Dann hört Euch bloß nicht die neue Scheibe von HVRT an! Unter diesem Namen ist "The Grief That Feeds The Night" formal zwar ein Debüt, doch als Shitshifter hat die Band bereits über zwei Alben Anlauf genommen, um eine enorm bedrückende Mixtur aus Wut, Frust und Negativität in kantige Songs umzuwuchten, die auf metallische Reinheitsgebote pfeifen, sich dafür ungeniert in verschiedenen Genres bedienen und in punkto Wucht an niemand geringeren als die unvergessenen Omega Massif (r.i.p.) erinnern.
Stilistisch festnageln lässt sich das Quartett aus Bielefeld nicht, und beweist mit keineswegs verschwenderisch eingestreuten atmosphärischen Einsprengseln, dass ihm fast jedes Mittel recht ist, um es kurz darauf umso garstiger krachen zu lassen. Death Metal? Ranzig, in den Varianten Kriechgang, Midtempo und böses Gesäge. Groove? Nicht zu knapp! Doom Metal? Hier und da schimmert tatsächlich eine Ahnung davon durch, old-schoolig britisch inspiriert, soll heißen ziemlich deprimiert und aggro. Post Metal? Wird von HVRT im Handstreich eingestampft. Wall of Sound? Massiv bis undurchdringlich. Bassist und Sänger Stefan Braunschmidt grollt und grätzt - auf Deutsch und Englisch - in einem fort, als hätte die Band soeben ihren Proberaum mitsamt allem Inventar verloren. Seine Mit- und die Gastmusiker stehen dem in nichts nach, wobei sich die Gitarren-Fraktion ein extra Lob für die stimmungsvollen Melodien in den Atempausen verdient. Abgesehen davon, dass die Band das Album live im Studio eingespielt hat und sich als ultra-kompakte Einheit mit gehöriger Durchschlagskraft präsentiert, hat sie auch noch fiese Ohrwürmer im Gepäck, wie der als erste Single ausgekoppelte Song "Moralists" beweist. Die drei Gastsänger reihen sich nahtlos ein - bei diesem Album war wohl auch kam etwas anderes möglich. Währenddessen beginnt der Rezensent von einem Label-Konzertabend mit den Halunken von Absolutum und Raptvre zu träumen...
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FAZIT: "The Grief That Feeds The Night" kann niemanden unberührt lassen, und das ist in diesem Fall ein Qualitätsmerkmal - selbst wenn die Suppe, die uns HVRT hier einbrocken, wohl kaum jedem Metal-Hörer im weiteren Sinne munden wird, und Feinschmecker sich entsetzt abwenden mögen. Räudig, räudig, räudig, verzweifelt, verwegen und finster - lies: verdammt fett produziert - klingen die elf Songs, die allesamt in die Magengrube knallen und dort noch eine geraume Weile nachwirken. Solche Krachmucke sollte wohl nur noch live eingespielt werden - und kann hoffentlich bald auch wieder in Clubs genossen werden. Bierduschen und Platzwunden würden mich dabei nicht sonderlich überraschen.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.09.2020
Stefan Braunschmidt
Stefan Braunschmidt, Christian Braunschmidt (background)
Christian Braunschmidt, Florian Stolpe
Tobias Hagge
The Crawling Chaos Records
35:11
25.09.2020