Auf "Pharos" löst einer der momentan bedeutendsten Musiker nicht nur Norwegens ein Versprechen ein, das er im Herbst 2019 abgegeben hat: "Ich werde das Muster von 'Telemark' beibehalten, also drei Stücke von mir und zwei Coverversionen aufnehmen, die einander in ihrer Aussage und Ästhetik entsprechen. Andererseits ziele ich damit in eine entgegengesetzte Richtung ab, denn wo die aktuellen Songs eher nach innen gekehrt waren, schaue ich mit den kommenden nach außen und vorwärts. Sie sind keine Richtschnur fürs nächste Album, sondern setzen schlichtweg einen Kontrast, indem sie meine ruhigere Seite zeigen."
Das Konzept bleibt also das gleiche, wenn man sich auf IHSAHNs vor einigen Monaten erschienene EP beruft, doch die Ausführung könnte kaum unterschiedlicher sein. "Pharos" ist tatsächlich zarter gestrickt als der Vorgänger; die wehmutsvolle Eröffnung 'Losing Altitude' verschränkt das elektronische Fundament des letzten amtlichen Longplayers des Norwegers mit einem dezidierten Gepräge von klassischen Singer-Songwritern. Die narrative Nummer geht dank traditioneller Struktur (Strophe-Refrain-Strophe) rasch ins Ohr, und das folgende 'Spectre At The Feast' steht dem in nichts nach.
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Monsieur Vegard Tveitan bestätigt 2020 wahrscheinlich endgültig, was für ein ausgefuchster Melodien-Komponist er ist. Das Titelstück gemahnt mit vordergründigem Klavier an die großen (amerikanischen) Liedermacher der 1970er und 1980er, während sich sein Schöpfer jenen nachdenklichen Grundton bewahrt, der bislang jede seiner Veröffentlichungen auszeichnete.
Der Song verzeichnet zugleich die härtesten Ausschläge auf "Pharos", und diese sind dergestalt konträrer (orchestraler) Natur im Vergleich zu 'Roads' von Portishead (herrlich, die fistelnde Stimme hier …), dass man das wiederum überraschend linientreue ‘Manhattan Skyline’ von IHSAHNs Landsleuten A-ha (man erwartete ja fast 'Take On Me') praktisch nicht als Coverversion identifiziert.
FAZIT: Sich alle möglichen musikalischen Impulse zu eigen zu machen war und ist IHSAHNs Gabe; "Pharos" markiert diesbezüglich einen weiteren Höhepunkt in seiner Laufbahn und erfüllt als EP genau ihren Zweck, die Erwartungshaltung betreffs der nächsten Langrille des Künstlers zu schüren. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/bde8e697492e46d789196ec2c2b8ca1b" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.09.2020
Candlelight / Universal
21:36
11.09.2020