Von IN EXTREMO braucht man keine Überraschungen mehr zu erwarten. Die Combo schwimmt seit Jahren auf einer zweifellos verdienten Erfolgswelle, ist aber nicht immer davor gefeit, hart an allzu beliebigem Radio-Lalala vorbeizuschrammen. Das gilt 2020 auch für das 13. Album der Berliner, das voraussichtlich trotz weniger Hits zu einem kommerziellen Selbstläufer avancieren dürfte.
Der Einstieg mit der Vorab-Single 'Troja' gestaltet sich ebenso ruppig wie fortan auch 'Lügenpack', was weniger typisch für die Band sein mag wie das Titelstück als Hymne mit bekannter Metaphorik (Aufbruchsstimmung, Meer, etc.) oder 'Reiht euch ein ihr Lumpen', ein ebenfalls mustergültig in Szene gesetztes Stück IN EXTREMO der älteren Schule.
Mitgröl-Refrains und nachgerade plump aufgehende Reime, wie man sie von den Hauptstädtern kennt, ziehen sich durch das ganze Dutzend Tracks, wofür 'Gogiya mit Russkaja' und 'Saigon und Bagdad' die besten Belege sind - letzteres mit einem filmreifen Breitwand-Sound, aber dennoch eine beinahe thrashige Hoppelei. Die Produktion hätte diesbezüglich differenzierter bzw. ausgewogener sein dürfen, denn die harschen Eruptionen vertragen sich nicht richtig mit dem ansonsten lässigen Deutschrock im Die-Toten-Hosen-Fahrwasser, dem die Gruppe längst verhaftet ist.
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In Sachen simpler, sofort zündender Strophenmelodien liegt 'Salva Nos' ganz vorne. Es enthält die eingängigste Tonfolge auf dem gesamten Album, dicht gefolgt vom nach Machart einer klassischen Power-Ballade komponierten 'Schenk nochmal ein' mit melancholischem Flair und warmem Cello-Klang; 'Biersegen' greift gegen Ende noch einmal mit ungleich dämlicherem Text auf die "durstige" Motivik zurück.
Ungeachtet ihrer bombastischen Kehrverse erweisen sich 'Narrenschiff' und 'Wer kann segeln ohne Wind' (mit unpassenden Growls) als abgehackte Gurke im aktuellen Repertoire der Band. 'Wintermärchen' wirkt als rein folkloristisches Gesumme wie ein Outro, an dessen Stelle der solide Bonustrack 'Brüder' eine angemessenere Wahl fürs "Hauptprogramm" gewesen wäre.
Über die elektronisch verschandelte Fassung von 'Saigon Bagdad' decken wir den Mantel des Schweigens …
FAZIT: „Kompass zur Sonne“ verkörpert musikalische Stagnation auf für IN EXTREMO üblichem Niveau. Ein paar recht schmissige potenzielle Gassenhauer und viel guter Deutschrock-Durchschnitt sollten für die nächste Chart-Platzierung sorgen, der suboptimale Sound, in dem harte Gitarren, die letzten Folk-Reste und das über die Jahre stetig gewachsene Pop-Appeal des Septetts nicht miteinander harmonieren, ist nüchtern betrachtet ein empfindlicher Schwachpunkt. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/24107cbb767b4cfb9359ff033402900a" width="1" height="1" alt="">
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Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.05.2020
Universal
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08.05.2020