Was da so verhalten mit E-Piano, elektronischen Laufspuren und einer einsamen Gitarre beginnt, entwickelt sich, trotz frühen Vocoder-Einsatzes, nicht zu einer Mixtur aus Synthie-Pop und ambientem Trance. Obwohl, stimmungsvoll geht es schon zu bei der INNER ODYSSEY. Doch bewegen wir uns nach dem traumverhangenen Einstieg gekonnt zwischen Progressive-Rock und -Metal.
Wobei der Härtegrad mitunter von rustikalen Graden ist, behalten Wohlklang, Gemütsruhe und schwebende Momente die Oberhand. Es wird nicht auf Teufel komm raus gefrickelt oder auf die Double Bass-Tube gedrückt. Mittleres Tempo beherrscht die Szenerie, gerne unterbrochen von melancholisch-elegischen Sequenzen, deren Verweildauer sich ausdehnen kann. Wir bewegen uns im Soundkosmos von RPWL und PORCUPINE TREE, wobei INNER ODYSSEY etwas straighter vorgehen als die genannten Bands.
Unterschiedliche Keyboards spielen eine gewichtige Rolle, während die Gitarre mitunter nach Steve Hackett-Ableger klingt. Das launige „Endgame“ wirkt in der ersten Hälfte wie eine bunte Mischung aus GENESIS-Hommage und „Mission Impossible“-Soundtrack (und wartet in der Mitte zudem mit Nintendo-Synthies auf). Das Breitwandformat beherrscht die kanadische Band per se ziemlich gut.
„The Void“ möchte als Konzeptwerk betrachtet werden, also tun wir ihm den Gefallen, obwohl die Textmenge sehr moderat ausfällt. Es gibt auch eher eine grobe Richtlinie, als eine durchgängig erzählte Geschichte. Thema mal wieder die Schwierigkeiten seine Menschlichkeit zu erhalten angesichts einer rasant voranschreitenden Digitalisierung, die geprägt ist von Angst (vorm Versagen), Verlust und Verflüchtigung. Der ultimative Sturz in die digitale Leere („The Void“).
Gesanglich ist das solide geraten, Étienne Doyons nicht besonders voluminöse aber sehr angenehme Stimme trägt die abgründige Erzählung, ohne sie dramatisch zu überhöhen. Das mutet eher etwas zu sanft an. Aber die Behaglichkeit im Maelstrom hat was. Und ist beileibe nicht ungefährlich. Dafür sorgen bereits die satt twangenden Gitarren und der pumpende Bass. Zurücklehnen ja, aber Ausruhen ist nicht.
FAZIT: „The Void“ ist nicht hyperkomplex, trotz des düsteren Themas nur dezent aggressiv. Das Album versprüht vielmehr eine beseelte Wohlfühlatmosphäre, garniert mit etwas Powersport und sehnsuchtsvoller Melancholie. Das können INNER ODYSSEY mittlerweile ziemlich gut und auch klanglich ist das dritte Album der Kanadier nicht von schlechten Eltern.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.07.2020
Alex Rancourt
Étienne Doyon, Vincent Leboeuf Gadreau, Mathieu Cossette, Alex Rancourt
Vincent Leboeuf Gadreau
Mathieu Cossette, Étienne Doyon
Cédric Lepage, Étienne Doyon
Eigenpressung/Just For Kicks Music
48:19
20.03.2020