Eine runde Dreiviertelstunde … Das reimt sich nicht nur, sondern trifft auf JACK SLAMER bezogen auch den viel zitierten Nagel auf den Kopf. Auf ihren ersten beiden Alben hatten die Schweizer das Problem, dass ihnen nach etwa der Hälfte der Spielzeit die Luft ausging, weil sie ihr Classic-Rock-Pulver zu früh verschossen. Mit dem dritten Longplayer schlagen sie sich etwas besser aus der Affäre; es ist - das gleich vorweg - ihr bisher stärkstes Werk, doch Optimierungsbedarf besteht nach wie vor.
Schließlich ist Konkurrenz in Hülle und Fülle vorhanden, wobei sich JACK SLAMER insbesondere wegen der Stimme ihres Sängers mit einem Mainstream-Schwergewicht messen lassen müssen: Florian Ganz heult, schreit und schmachtet nämlich nach wie vor wie Jay Buchanan von den kalifornischen Gipfelstürmern Rival Sons.
Obwohl dann natürlich auch gleich der polternde Ohrwurm 'Brother' zu Beginn an die Amerikaner denken lässt, schauen sich die Eidgenossen im Folgenden glücklicherweise auch auf anderem Terrain um. 'Favorite Enemy' changiert zwischen breitbeinigem Heavy Blues und fast proggigem Instrumentalpart inklusive perkussiver Trommeleinlage, ehe 'Sun Soul Healing' zu den wenigen unverblümt positiven Nummern von "Keep Your Love Loud" gehört.
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Ansonsten zeichnet sich die Platte nämlich durch die von JACK SLAMER gewohnte (dezente) Wehmut aus, obwohl die Energie hoch bleibt. Das zurückhaltende 'Lost' zeichnet sich durch ein schier beispielloses Arrangement auf, sodass man es praktisch überhaupt nicht mit dem Stoff artverwandter Acts vergleichen kann, und solche Nummern finden sich im weiteren Verlauf noch mehrmals.
'Magic Woman' beruht auf gänzlich unverbrauchten Akkordfolgen, die dennoch recht flott ins Ohr gehen, und 'Ocean' stellt eine aufregende kleine Klangreise mit souliger Note dar - in weniger als vier Minuten. Der Pferdefuß solcher Tracks besteht darin, dass der oberflächliche und auf schnelle Hits abonnierte Hörer über JACK SLAMER hinwegsehen könnte, doch andererseits hat man umso mehr von der Band und dieser Scheibe, wenn man seine Hörgewohnheiten eben nicht ständig bestätigt kriegen möchte.
FAZIT: Ein, zwei potenzielle Gassenhauer mehr als zu Beginn, und der Zugang zu diesem originellen, detailverliebten Album würde schlichten Vintage-Rock-Gemütern leichter fallen. So oder so bleiben JACK SLAMER die etwas andere Genre-Band - sowohl unberechenbar als auch Roots-treu, definitiv klischeefrei und im farblos austauschbaren Schlaghosen-Einerlei deshalb sehr, sehr wertvoll. <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/61edb88dca3c40aa9cc65cd64bd16366" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.11.2020
Hendrik Ruhwinkel
Florian Ganz
Cyrill Vollenweider, Marco Hostettler
Adrian Böckli
Nuclear Blast / Believe
45:22
27.11.2020