Jennifer Kowa hieß früher einmal Hensel und war ab Mitte der Siebziger für sieben Jahre die Leadsängerin der Melodic-/Hard-/Krautrock-Band OCTOPUS. 1975 sang sie ein knödeliges, auf rührende Weise charmantes Englisch mit einer jugendlich-hellen, treffsicheren Stimme. Die sich später verdunkelte und an Volumen gewann. Es gab Vergleiche mit Inga Rumpf oder gar Janis Joplin (Martin Dambeck, Empire 10/2019), doch wirklich zwingend waren die nicht. Taten auch gar nicht Not. Jennifer Hensel/Kowa ist eigenständig in der Lage, ein Projekt zu tragen.
Was bei THE RADIO, der gemeinsamen Band mit ihrem zweiten Ehemann Win Kowa (ebenfalls Gitarrist wie Ehepartner Nr. 1 Pit Hensel) zu melodischem Deutschrock des gehobenen Härtegrads mit viel 80er-Jahre-Keyboardgeschmettere und Betroffenheitslyrik führte. 1992 begann eine Zusammenarbeit mit dem IC-Label, die kontemplative Elektronik-Musik mit hohem Instrumentalanteil mit sich brachte. Erst als KOWA und später als WIN KOWA veröffentlichte das Ehepaar sphärische Klänge, die den rockigen Background jedoch nicht verleugneten. Daneben entstand Musik für Film- und Fernsehproduktionen.
„Slow Down“ ist das Solodebüt Jennifer Kowas und eine faustdicke Überraschung. Denn das gut abgehangene, tiefenentspannte Album verrät wenig von der langen Vorgeschichte Kowas, sondern präsentiert intimen, nonchalanten und unaufgeregten Rock, garniert mit Folk- und ganz dezenten Bluesanteilen. Ist näher bei Mark Knopfler als bei J.J. Cale, doch taugen beide Musiker als Verweise. Das ist Kaffeehaus-, Rotweingenuss-im-Kerzenschimmer-Musik der angenehmen Sorte, mit Texten, die um die notwendige Kohärenz von Liebe und Leben kreisen sowie die Bedeutung von Entschleunigung betonen. Nicht besonders tiefschürfend, aber von sympathischer Selbstbesinnung.
Jennifer Kowa führt mit warmem Timbre stilsicher durchs Programm, das geprägt ist von Win Kowas filigranem Gitarrenspiel, welches ohne Kraftmeierei auskommt und gerade deshalb so eindrücklich wirkt. Darunter legen der geschmeidige Bass und die effiziente Percussion ein fluffiges Fundament. Die pointiert eingesetzten Keyboards – besonders die Orgel – setzen hintergründige Akzente.
„Slow Down“ ist der perfekte Titel für ein lässiges, doch nicht langatmig dahinplätscherndes Werk. Eine impressionistische Tuschezeichnung, keine expressionistische Farbexplosion in Öl. Klanglich ein Genuss.
FAZIT: Obwohl „Slow Down“ bereits im Oktober letzten Jahres veröffentlicht wurde, ist das äußerst smoothe Album genau der richtige Begleiter durch diese wildbewegten Zeiten. Lädt ein zum Innehalten, Luft holen und Weitermachen.
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Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.03.2020
Jennifer Kowa, Rupi Schwarzenburger
Jennifer Kowa
Win Kowa
Win Kowa
Tony Capell
Sireena/Broken Silence
39:16
25.10.2019