Joe Bonamassa und kein Ende: Gerade hat der mittlerweile 43-Jährige seinem vor 20 Jahren erschienenen Debüt „A New Day Yesterday” ein reizvolles Update angedeihen lassen, da steht er bereits mit einer weiteren Veröffentlichung von der Tür. Auf "Royal Tea" widmet sich der Mann, der maßgeblich für das noch andauernde Revival des Bluesrock verantwortlich zeichnete, dem Titel gemäß ausdrücklich dem britischen Blues, und zwar inspiriert von der Plattensammlung seines Vaters, der seinerzeit zur amerikanischen Fan-Minderheit von Eric Clapton, Jeff Beck, John Mayall und Co. gehörte.
Dass der Gitarrist und Sänger aus dem US-Bundesstaat New York die durch die Beatles legendär gewordenen Abbey Road Studios in London in Beschlag nahm, um diese Platte Wirklichkeit zu machen, erscheint nur standesgemäß - genauso wie seine Kollaborationen mit Schwergewichten aus der englischen Musikszene beim Songwriting (vor Ort obendrein!), konkret dem früheren Whitesnake-Gitarristen Bernie Marsden, ex-Cream-Lyriker Pete Brown und Pianist Jools Holland.
In puncto Produktion und Aufnahme lautete die Devise unterdessen: "Never change a winning team." Die Aufnahmen beaufsichtigte Joes Leib-und-Magen-Produzent Kevin Shirley (u.a. auch Aerosmith, Iron Maiden), während die Bandbesetzung gleichsam stabil blieb und einmal mehr der fabelhafte Anton Fig hinterm Schlagzeug herausragt, wenn man sich "Royal Tea" anhört. Womit wir beim Kern der Sache wären …
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/PZyIouoc5pY" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
Nachdem das Intro von 'When One Door Opens' mit orchestralem Zierrat auf Klassik-Komponist Sir Edward Elgar (seine patriotische Hymne „The Land of Hope and Glory“) angespielt hat, sorgt Bonamassa gleich für einen Paukenschlag, denn ganz davon abgesehen, dass er wohl noch nie ein derart episches Stück geschrieben hat, handelt es sich um eine hinsichtlich ihrer Unberechenbarkeit von ihm nicht für möglich gehaltene Nummer, die von ihrem Singer-Songwriter-artigen Beginn bis zum knallharten Finale mitreißt; 'Lookout Man' und 'I Didn't Think She Would Do It' hauen dann später kaum sachter auf den Putz.
Das Titelstück wirkt hiernach allerdings vergleichsweise handelsüblich - laaaangsamer Blues mit weiblichem Chorgesang, Gospel-Note und schmatzender Orgel, und die anschließende Balade 'Why Does It Take So Long To Say Goodbye' lässt sich genauso einfach in eine Schublade stecken. Dass das ausführende Quartett in beiden Tracks eine sagenhafte Musikalität an den Tag legt (da scheint der eine oder andere Jam mit aufgenommen worden zu sein …), versteht sich von selbst.
Wie weit Joe als Sänger gereift ist, verdeutlichen im Folgenden insbesondere das folkige 'Savannah' und das fast siebenminütige 'Beyond The Silence', eine weitere Prog-affine Spitzenleistung eines wirklichen Künstlers, der zu den wenigen eben nicht oberflächlichen ganz oben im Mainstream gehört.
FAZIT: Man dachte bereits bei Joe Bonamassas letztem Studiowerk, der Mann hätte sich selbst neu erfunden, doch für "Royal Tea" hat er sich offensichtlich abermals gehäutet, um eine Lesart des ur-britischen Blues zur Diskussion zu stellen, die so zeitgemäß wie zeitlos ist. Spitzenklasse, das! <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/c1559ae2fe5845af859f57f6c28d823f" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.10.2020
Michael Rhodes
Joe Bonamassa
Joe Bonamassa
Reese Wynans
Anton Fig
Mascot / Rough Trade
53:20
23.10.2020