<b>„Wir haben jahrelang an diesem Album gearbeitet. Es wurde in einer Periode unserer Leben voller Veränderungen und Selbstbeobachtungen geschrieben.“</b> (KALANDRA)
Musikalische Indie-Pop-Rock-Grüße aus Norwegen sind immer etwas Besonderes. Diese skandinavische Atmosphäre zwischen urwüchsiger Natürlichkeit, verträumter Melancholie, berauschender Harmonie und ohrwurmigen Melodien tragen ihren ganz eigentümlichen Reiz in sich. Und diesen Reiz setzt das norwegische Quartett KALANDRA auch auf ihrem Debüt-Album „The Line“ um.
Doch nicht nur die nordische Atmosphäre, auch der elfengleiche weibliche Gesang trägt maßgeblich zu der anfangs verträumten Stimmung bei, die gerne aber auch mal postrockig explodieren oder sich in weltmusikalischen Sphären mit mongolischen, arabischen und indischen Elementen austoben darf, ohne je dabei die nordische Grundstimmung zu verlieren.
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Nicht durchgängig halten KALANDRA dabei das hohe Niveau, mit dem sie wellenrauschend auf „Borders“ mit hypnotischem Gesang und schwebenden Sounds beginnen. Immer dann, wenn sie auf übertriebenen Bombast setzen oder es mit der Härte etwas übertreiben, bei der die Stimme ihrer Sängerin nicht wirklich durchdringt, verzetteln sie sich.
„The Waiting Game“ wiederum überrascht sogar mit einem Riff, das deutlich an „Astronomy Domine“ von PINK FLOYD erinnert, eine Band, die laut Band-Statement zu den Inspirationsquellen von KALANDRA zählt.
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Zugleich trifft ihre Aussage zu, dass „'The Line' die Grenzen betrachtet, an die wir im Leben immer wieder stoßen. Seien sie mental, als Linien auf einer Landkarte oder die Mauern, die wir um uns selbst errichten. Das Leben kann wundervoll, aber auch schrecklich sein.“ Auch in ihrer Musik stoßen KALANDRA noch an Grenzen, die sie einerseits überschreiten, aber andererseits auch akzeptieren sollten.
Leider fehlt im Digipak der CD ein Booklet, in dem man durchaus die Texte hätte mit abdrucken können, welche aus Sicht von KALANDRA eine gewichtige Rolle spielen: „Die Songs reflektieren verschiedenste, teils gegensätzliche Emotionen, die aufkommen, wenn man als Mensch wächst: Neugier, Verwunderung, Wut, Verlust und Akzeptanz gehören dazu, wenn man die Entwicklung seines eigenen Lebens und der Welt um einen herum betrachtet.“
So klopfen KALANDRA mit „The Line“ an die riesigen Musik-Tore solcher Größen wie EFTERKLANG oder EIVØR sowie KENT und ein bisschen SIGUR RÓS an, ohne sich aber bereits auf deren Ebene hinaufschwingen zu können. Dass sie dazu durchaus in der Lage sind, beweisen sie aber bereits mit diesem Debüt, auch wenn es noch nicht die souveräne Ausgeglichenheit ihrer Referenzgrößen aufweist, aber zugleich so wunderbare Songs wie den in norwegischer Sprache gesungenen „Virkelighetens Etterklang“ besitzt.
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FAZIT: Wer von nordischer Musik zwischen Alternative-Pop und Indie-Rock nicht genug bekommen kann, der wird mit „The Line“, dem Debüt-Album der norwegischen Band KALANDRA, gut bedient, auch wenn sie in den härteren Momenten noch nicht ganz zu überzeugen wissen. Geht's aber um den skandinavischen Schönklang und eine naturverträumte Atmosphäre, dann liegt der norwegische Vierer genau auf der richtigen Wellenlänge.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.11.2020
Florian Bernhard Döderlein Winter, Andreas Molde
Katrine Stenbekk
Jogeir Daae Mæland
Øystein Myrvoll
Oskar Johnsen Rydh
Sophia Hugo Cobo (Cello), Ingjerd Forbord (Geige), Lene Helisir (Harfe)
By Norse Music/Membran
50:28
23.10.2020