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Linhay: On How To Disappear

Stil: Emo, Shoegaze

Cover: Linhay: On How To Disappear

Ein Album mit Vogelgezwitscher zu beginnen, ist immer eine kluge Entscheidung. Schließlich kommt dabei sofort so ein warmes Naturgefühl auf, vielleicht sogar etwas skandinavische Stimmung oder eine Vision vom weiten Meer. Und Meer passt schonmal, denn die vier Jungs von LINHAY kommen aus der Hafenstadt Kiel – kein Wunder also, dass einen beim Hören ihres Debüts „On How To Disappear“ immer mal wieder dieses Ostsee- und Herbstgefühl überkommt. Sogar etwas mittelalterliches Flair, wenn plötzlich ein Cello erklingt, macht sich manchmal breit – das muss wohl an der alten Festung am Meer liegen, wo das Album zwischen April und Juli 2019 aufgenommen wurde.

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LINHAY bereiten allen, die Emo und Shoegaze oder Bands wie AMERICAN FOOTBALL oder JIMMY EAT WORLD lieben, sicherlich große Freude. Auch arbeiten die Kieler Jungs textlich mit sehr poetischen Bildern, wenn beispielsweise in „Water“ darum gebeten wird, die Liebe wie einen schönen Garten zu wässern oder in „Interlude / A Slightly Disorientated Butterfly“ das Leben als ewig hoffnungslose Wanderung, die sich in eine verrückte Narretei verwandelt, daherkommt, während eine unerfüllt Liebe sich wie die Distanz zwischen zwei Monden anfühlt. Oft werden die lyrischen Texte mit viel Hall auf den Stimmen vorgetragen, wobei die breiten Gitarrenwände und der gut abgemischte Sound rundum zu punkten verstehen.
Auch dass der kunstvoll gestalteten Vinylausgabe ein LP-großes Textblatt beiliegt, ist sicher nicht selbstverständlich und gerade bei den ansprechenden, mitunter etwas düster geratenen Texten („I pictured my funeral / I felt so alone“ in „2412“) bedeutungsvoll.

In den schönsten schwelgenden Momenten, wie beim Album-Intro oder dem düsteren „2412“ und dem Anfang von „Interlude / A Slightly Disorientated Butterfly“, dürfen wir sogar mal wieder so träumen wie wir es seit THE SLOW SHOW nicht mehr konnten. Genau hier packt uns dann auch dieses skandinavische Gefühl der ewigen Weite und Melancholie. Jedoch entwickelt sich „Interlude / A Slightly Disorientated Butterfly“ sogar noch in ein wahrhaftes Monster mit growlender Bissigkeit. Gerade durch diese unglaubliche Entwicklung ist dieser komplexe Song neben „Water“ das Highlight von „On How To Disappear“.

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Mit der sich wieder und wieder so optimistisch wiederholenden Zeile „You will be allright“ geht dieses beeindruckende Emo-Album-Debüt von LINHAY zuende, um uns dann noch mit dem Vogelgezwitscher zu verabschieden, das uns bereits so freundlich bei unserer ersten Begegnung mit „On How To Disappear“ begrüßte.

FAZIT: Genau so sollte frischer und unverbrauchter Emo mit Shoegaze-Ausflügen klingen wie auf dem Debüt „On How To Disappear“ des Kieler Quartetts LINHAY, die in ihrer Musik ein feines Gespür für die lauten genauso wie die leisen Momente beweisen und auch bei ihren Texten und dem etwas verhallten, aber sehr ansprechenden Gesang echte Größe zeigen. Sogar auf Vinyl kann sich das Album, besonders seiner klangvollen Produktion wegen, echt hören lassen.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.11.2020

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (20:54):
  2. Intro / Cypsall (3:40)
  3. In Sunshine And In Shadow (4:31)
  4. Uneasy (4:05)
  5. Poem (3:33)
  6. The Distance Between Two Moons (5:05)
  7. <b>Seite B</b> (22:20):
  8. Water (5:00)
  9. Shy (2:06)
  10. 2412 (3:16)
  11. Interlude / A Slightly Disorientated Butterfly (5:18)
  12. La Lune (6:40)

Besetzung

  • Bass

    Fabian Körting

  • Gesang

    Jörn Borowski, Gunnar Vosgröne

  • Gitarre

    Jörn Borowski, Finn Martens

  • Keys

    Jörn Borowski, Finn Martens, Gunnar Vosgröne

  • Schlagzeug

    Gunnar Vosgröne

  • Sonstiges

    Gunnar Vosgröne (Cello)

Sonstiges

  • Label

    Bloodstream Records/Indigo

  • Spieldauer

    43:14

  • Erscheinungsdatum

    04.09.2020

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