Im Jahr 2000 legten LINKIN PARK mit ihrem ersten Album den Grundstein für einen steilen Aufstieg, in dessen Zug ihnen schon nach wenigen Jahren die Luft ausging, ehe der Freitod ihres Sängers 2017 den letzten Nagel in den auf künstlerischer Ebene längst gezimmerten Sarg schlug. Nichtsdestoweniger ist "Hybrid Theory" trotz Korn, Slipknot oder sogar auch Limp Bizkit das bedeutendste Studiowerk einer Band aus dem sogenannten Nu Metal, falls diese Schublade nicht zu eng für seine Schöpfer ist.
Mit "Hybrid Theory - 20th Anniversary Edition" wird nun vermutlich ein endgültiges Machtwort in dieser Sache gesprochen. Die teuerste Ausführung des tatsächlichen Produkts enthält wahrscheinlich alles, was im Zusammenhang mit den Aufnahmesessions und der Konzerte, die "Hybrid Theory" flankierten je für die Ewigkeit festgehalten wurde.
Die 18 Tracks umfassende "LPU Rarities", "Forgotten Demos" (12 Stücke) und die "Hybrid Theory EP" (nur Vinyl) sind neben weiterer Boni (einer Kassette mit zwei bekannten Songs als Gimmick, unbedingt sehenswerte Doku- und Live-Segmente auf DVD) exklusiv in der Super-Deluxe-Variante enthalten, die uns zur Besprechung vorliegt. Nicht aufgehende Demos, die billigerweise unter Verschluss gehalten wurden ('Blue'), weisen einen gewissen "Hose runter"-Faktor auf und gehören ebenfalls zu den knapp fünf Stunden Musik, ferner das Remixalbum "Reanimation" sowie die Compilation "B-Side Rarities", auf der selbst die penibelsten Fans der Gruppe noch Tracks entdecken, die sie nicht im Äther oder wo auch immer sonst aufgeschnappt haben.
Und das Kernalbum an sich? Tja lange Essays über "Hybrid Theory" erübrigen sich mittlerweile eigentlich. Die aus der Kreuzüber-Kapelle Xero von Gitarrist Brad Delson hervorgegangene Band ließ sich von Mixer Andy Wallace den perfekten Breitwand-Sound einstellen und mutierte dank vierer längst zu Rockstandards avancierter Singles - 'One Step Closer', 'In the End', 'Crawling' und 'Papercut' - zu einem Thema für Pop-Teens … was ihre musikalische Integrität und Experimentierfreude allerdings nicht kompromittierte, wie sowohl das Zusatzmaterial als auch ihr späteres Schaffen belegten.
Benningstons grungiger Vortrag vermählt den Alternative Rock der späten 1980er (wo seine Wurzeln mit Grey Daze lagen) in gleicher Weise mit dem hedonistisch fetten Sound des ausklingenden Jahrtausends (fetteste Deftones-Gedächtnis-Riffs einer- und luftig flirrende Gitarrenparts im Geiste von U2s The Edge andererseits), wie Shinoda neben seinen Einflüssen aus der Rap-Szene glaubwürdig sowohl Electro- als auch Trip-Hop- und Bigbeat-Einflüsse ('Coal', 'Hurry') in den "heavy stuff" einbindet.
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cher Ebene sind die Songs, die sich u.a. um Chesters Drogenprobleme drehen, ein Inbegriff dessen, was im englischsprachigen Raum "teenage angst" genannt wird, und pass(t)en somit bestens ins Klima der Zeit, in der "Hybrid Theory" ursprünglich erschien.
Und heute? Als Hilfe beim Erwachsenwerden, nostalgischer Rückblick oder einfach nur zeitlose Musik ist dieses Meisterwerk ungebrochen relevant.
FAZIT: "Hybrid Theory" ist und bleibt eine der geschmackvollsten Fusionen von hartem Rock bzw. Metal und Hip Hop. Man braucht kein eingefleischter Scheuklappenträger zu sein, um zu behaupten, dass LINKIN PARK ihrem Debüt später nichts Ebenbürtiges mehr haben folgen lassen, und unter diesen Voraussetzungen ist diese Edition zum 20. Geburtstag selbst in ihrer "ökonomischsten" Version (Doppel-CD) einen ersten oder neuerlichen Kauf wert. Wer junge Musikgeschichte begreifen will, muss auch dieses Ding kennen. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/cfba43a4c8694695a8a142cc9ab3822b" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.10.2020
Brad Delson
Chester Bennington, Mike Shinoda
Brad Delson
Mike Shinoda, Joe Hahn
Rob Bourdon
Joe Hahn, Mike Shinoda (DJ)
Warner
38:01 + 41:38 + 60:52 + 45:27 + 43:35 + 27:50 + 50
09.10.2020