Wer sich noch immer an die neoprogressiven Klänge von ABEL GANZ erinnert, dem ist vielleicht auch deren Schottischer Ableger LONG EARTH noch in Erinnerung geblieben, die vor drei Jahren mit <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2017/Long-Earth/The-Source/" target="_blank" rel="nofollow">ihrem Debüt „The Sourth“</a> den Weg der Neoprogger fortsetzten. Das war nichts Weltbewegendes, aber für Freunde des Neoprogs durchaus Beachtliches, auch weil mit Bassisten Gordon Mackie und Schlagzeuger Ken Weir gleich zwei ABEL GANZ-Mitglieder bei LONG EARTH mitwirkten. Ganz ähnlich verhält es sich nun auch mit „Once Around The Sun“. Musikalisch bleibt alles beim Alten, aber textlich ist „Once Around The Sun“ erneut sehr interessant ausgefallen, wobei besonders auch der neue Sänger Martin Haggarty, der ehemals LOST WEEKEND, aber auch ganz kurze Zeit ABEL GANZ sowie FIELD OF VISION und MASQUE seine Stimme verlieh, sein Können unter Beweist stellt. Und auch hier setzt sich die ABEL GANZ-Geschichte fort, denn deren Sänger Hew Montgomery steuert neben Haggarty einige vokale Stimm(ung)en bei.
Besonders finster fällt hierbei „A Guy From Down The Road“ aus, in dem es um einen Serienmörder geht, der, ganz ähnlich wie Jack The Ripper, Prostituierte um die Ecke bringt und blutlüsternd deren letzte Schreie und Worte genießt und dem die Polizei wohl nicht auf die Schliche kommt, wie es die letzte Zeile: „Just a guy from down the road – catch me if you can“, verdeutlicht. Ein düsterer, ruhiger und natürlich bedrohlicher Song, ähnlich wie „The Man In The Mirror“, in dem es um die dunkle Seite des Menschen geht, die übrigens noch dazu mit einem Virus verglichen wird. Corona lässt grüßen, auch wenn der Bezug in diesem Song ein anderer ist: „All he's willing to share are his burdens and his strife / He's a virus that's rife.“
Im Mittelpunkt des Albums steht, ähnlich wie bei LONG EARTHs Debüt, wieder ein mehrteiliger epischer Longtrack, der es in seiner Gesamtheit auf über 30 Minuten bringt und sich im Vivaldi-Sinne um die vier Jahreszeiten dreht. Diese werden allerdings als eine Parabel verwendet, indem einerseits die natürliche Wirkung der vier Jahreszeiten, also der lebendige Frühling, der wärmende Sommer, der farbenfrohe, aber schnell in Verfall übergehende Herbst sowie der kalte, trostlos erscheinende Winter auf die Beziehung eines Paares übertragen wird, die leidenschaftlich beginnt und im Laufe der Zeit so weit unterkühlt, dass sie bitter endet. Musikalisch werden diese Stimmungen in dem doch etwas zu ruhig gehaltenen Epos vertont. Etwas mutiger und abwechslungsreicher hätten die Schotten bei diesem Thema durchaus zur Sache gehen können, denn wenn man den Text außer acht lässt, spürt man musikalisch nicht wirklich, in welcher Jahreszeit man sich gerade befindet. Die Jahreszeiten-Suite bleibt einfach zu sehr im neoprogressiven, verträumt anmutenden Fluss.
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FAZIT: Die schottische Neo-Prog-Band LONG EARTH aus dem ABEL GANZ-Umfeld macht genau dort weiter, womit sie bei ihrem Debüt begann – allerdings mit neuem Sänger. „Once Around The Sun“ ist Neo Prog auf hohem Niveau, wieder mit einem mehrteiligen Prog-Epos als Mittelpunkt. Alles sehr entspannt und ziemlich ruhig, wobei die guten, kritischen Texte das etwas dahinfließende Album zusätzlich aufwerten.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.05.2020
Gordon Mackie
Martin Haggarty, Hew Montgomery
Renaldo McKim
Mike Baxter
Ken Weir
Grand Tour Music/Just For Kicks
66:54
20.03.2020