Ganz was Neues von Riverside-Bassist- und -Sänger Mariusz Duda alias LUNATIC SOUL: Nach diversen Experimenten u.a. im Ambient- und Improvisations-Bereich widmet sich der Pole folkloristischer Musik sowohl aus Osteuropa als auch Skandinavien. Dabei hat er sich von jüngeren Acts wie Heilung und Wardruna inspirieren lassen.
Für den hier alle Fäden allein in der Hand haltenden Grübler, der seit zwölf Jahren unter diesem Pseudonym in eigener Sache ist, erweist sich "Through Shaded Woods"als Erfolg auf mehreren Ebenen. Bei der Beschäftigung mit der Materie sind ihm seine bisher stärksten Sololieder im klassischen Sinn gelungen.
Duda spielte einmal mehr alles selbst ein, logischerweise ohne die Electro-Sounds der zwei Vorgänger "Fractured" und "Under The Fragmented Sky" einzubinden, während er die "Schattenwälder" im Titel als Sinnbild für Traumata bzw. Alpträume als Orientierungspunkt für seine Texte verwandte - "natürliche" Musik als therapeutisches Werkzeug?
Heilsam wirken die Stücke vielleicht auch deshalb, weil sie etwas Idyllisches (ohne ländlichen Kitsch) ausstrahlen, weil sich der Künstler von seiner Kindheit in provinzieller Natur inspirieren ließ.
Das hypnotisch pulsierende 'Navvie' lässt anfangs stereotyp an den Musik-Schamanismus denken, den die erwähnten Dänen und Norweger pflegen, doch als wirklich dominant nimmt man einen anderen Einfluss wahr: Sich scheinbar um sich selbst windende Keyboard- und Gitarrenlinien evozieren überdeutlich Dead Can Dance - und wenn sich Duda im Verlauf des kompakten 'Oblivion' in textlosem Silbengesang ergeht, ist Lisa Gerrards und Brendan Perrys Vorgabe endgültig nicht mehr wegzudenken.
Das gilt selbst für die jeweils neun und zehn Minuten von 'The Passage' - Ohrwurm-Melodien! - und 'Summoning Dance' mit seinem erzählerischen Einstieg, gefolgt von einem tänzerischen Instrumentalpart, der schottische oder irische Hochebenen am geistigen Auge vorbeiziehen lässt, und schließlich einem elektrifizierten Ende wie von Riversides soweit ruhigsten Longplayer "Love, Fear And The Time Machine".
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Mariusz punktet dort, wo die "neue" Folk-Szene (oft handelt es sich bei den Acts bloß um beschönigte Reenactment-Kapellen) häufig in der Bringschuld bleiben: Er verarbeitet handfeste Songideen, statt leidlich fokussiertes, "rituelles" Getrommel zur Diskussion zu stellen, das bei einer Live-Darbietung funktionieren mag, auf Tonträgern aber meistens jeglichen Effekt verwirkt.
Die fragile Ballade 'The Fountain' ist am Ende einer der Tränentreiber des Herbstes 2020. Die Sonderauflage mit drei Bonustracks, darunter das fast halbstündige (!) 'Transition II', sollte man sich nicht entgehen lassen.
FAZIT: Das stimmigste LUNATIC-SOUL-Album bislang - Marisuz Duda könnte in freimütig mit artfremden Elementen verschmolzenem Folk seine (zweite) Berufung gefunden haben. In jedem Fall ist "Through Shaded Woods" ein emotional bestärkendes und musikalisch packendes Werk, das manch angestammte Szene-Combo alt aussehen lässt. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/7173a3f67bfb40d6b3ff17c878c95b19" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.11.2020
Mariusz Duda
Mariusz Duda
Mariusz Duda
Mariusz Duda
Kscope / Edel / Just For Kicks
55:27
13.11.2020