Erinnert sich noch jemand an Abyssos aus Schweden? Genau, jene aus The Insalubrious hervorgegangene Band, die den melodischen Black Metal von Dissection in der Storyteller-Variante präsentierte und vom Label ein Vampir-Image nach Art der damals mega-erfolgreichen Schmutzfinken aus England aufgedrückt bekam. Warum ich mich beim Hören von MAGOTHs drittem Album "Invictus" daran erinnere? Nun, die im Rheinischen beheimatete Band bezieht ihre Einflüsse vor allem aus genau jener Ära, und der Gesangsvortrag erinnert in der Phrasierung durchaus an Abyssos-Tausendsassa Rehn.
Auf dem Cover Artwork gemahnt ein Detail erneut an Castle Greyskull, und greift somit ein Motiv vom Debüt "Anti Terrestrial Black Metal" (2017) auf, beim Line-Up hingegen stehen die Zeichen auf Neustart, denn Bandgründer Heergott hat gleich drei neue Musiker an Bord geholt, nachdem sich die vorigen Mitglieder verabschiedet hatten. Am musikalischen Fokus hat sich seit "Zeitgeist : Dystopia" (2018) dennoch nicht viel geändert, sondern es wird sehr solide geknüppelt und geschreddert, die Melodien können sich allesamt hören lassen, ohne allerdings dauerhaft zu verfangen. Der leicht kratzige Gesang wird wenig variiert, viel Wert hingegen auf eine druckvolle Darbietung seitens des Drummers gelegt, der dabei eine souveräne Performanz abliefert. Wird der Fuß wie beim vierten Song "Cain" vom Gaspedal genommen, verdichtet sich die Atmosphäre, und das wirkt Wunder. Das fette Geblaste im folgenden Track "Ascension" hinterlässt bei mir weniger Eindruck, wirkt allem Schwung zum Trotz auf Dauer zu formelhaft. So festigt sich über die gesamte Spielzeit hinweg der Eindruck einer Band, der es weniger an spielerischer Kompetenz und Finesse mangelt als an eigenen Ideen, die über Genre-Standards hinausreichen. So dürfte das Album bei Fans genau dieses Stils zwar ins Schwarze treffen, sonst jedoch in Zeiten, in denen Genre-Mitbegründer wie Necrophobic oder Mörk Gryning wieder auftrumpfen, schlichtweg zu wenig Eigenes bieten, um aus derem langen Schatten zu treten.
Ungewöhnlich ist, dass Heergott im Begleitschreiben locker vom Hocker erwähnt, dass er das Album mit neuer Mannschaft nach einem mehrwöchigen Psychiatrie-Aufenthalt in Angriff genommen hat und es - man achte auf den Titel - ein persönlicher Befreiungsschlag geworden ist. Auch wenn sich das schlussendlich nicht in der Bewertung in Punkten spiegelt - denn die bezieht sich ausschließlich auf die Musik und das künstlerische Drumherum - nötigt mir diese Leistung einerseits viel Respekt ab, und andererseits ist sie es meines Erachtens nach wert, hervorgehoben zu werden - und sei es nur, um andere Menschen in ihren eigenen tiefen Tälern zu ermutigen, aus selbigen emporzuklettern und es etwaigen Plagegeistern zu zeigen, dass man nicht aufgibt. Und dass sich auch Krachmucke für solcherlei Eigentherapie anbietet, beweist der junge Musiker zweifelsohne. Hut ab und weiter so!
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FAZIT: "Invictus" lädt kaum dazu ein, MAGOTH mangelndes Engagement vorzuwerfen, doch bei aller Spielfreude und Wucht bleiben die kompetent eingespielten Kompositionen in weiten Teilen (zu) formelhaft, Aha-Momente sind vergleichsweise rar gesät, und auf Albumlänge bietet das Quartett schlichtweg zu wenig Eigenständiges, um aus der Vielzahl der Veröffentlichungen herauszuragen. Daher darf sowohl im Vergleich mit älteren Klassikern ebenso wie mit jüngeren Sternstunden des rasanten Melodic Black Metal - genannt sei hier das famose Nordjevel-Debüt - ein Klassenunterschied konstatiert werden. Sollte das Line-Up stabil bleiben, könnte die Band ihre persönliche Kontur schärfen und auch außerhalb ihrer Nische aufhorchen lassen. Das Zeug dazu hat sie.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.11.2020
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