Politisch bzw. sozial motiviert ist Nadine Shah von jeher, doch auf "Kitchen Sink" tritt dies vielleicht so deutlich zutage wie nie zuvor. Die britische Liedermacherin, die norwegische und pakistanische Wurzeln hat, schafft es mit ihrem vierten Album nämlich komplexe Themen und alltägliche Abgründe in nahezu beispiellos leicht verdaulicher Form aufzubereiten.
Shah findet in ihren aktuellen Kompositionen deutliche Worte, unmissverständlich ausgesprochen und dennoch pikanterweise von subtiler Überzeugungskraft, weil man inmitten des massenkompatiblen Sounds, den sie seit ihrem Debüt "Holiday Destination" von 2017 fährt, gar nicht bewusst darauf anspringt.
Ob sie also tiefer in die Materie eindringen möchten, ist allen Hörerinnen und Hörern selbst überlassen. Unabhängig davon unterhalten respektive "erziehen" dann insbesondere die monoton hypnotische Auskopplung 'Ladies For Babies (Goats For Love)' - siehe den Videoclip dazu, in dem sich die Künstlerin gemeinsam mit BBC-Promi Matt Cummins ("Line Of Duty") vor die Kameras stellte - das mit zerdehnten Bläsern fesselnde 'Club Cougar' oder das treibende, himmelhoch jauchzende 'Trad' mit jedem Durchlauf von "Kitchen Sink".
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/XX9bxRCVWnI" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
Jawohl, der Zauber der Platte nimmt nur weiter zu, je häufiger man sie einlegt, wobei sich das auf synthetischem Fundament polternde und konträr dazu mit samtiger Stimme vorgetragene 'Buckfast' und der lakonische Soul von 'Dillydally' als die langlebigsten Nummern herausstellen.
FAZIT: Nadine Shah inszeniert dieser Tage lehrreiches Theater mittels Musik, quasi in Bertolt Brechts Sinn. Als Hybrid aus Polit-Pop, Electro-Indie und traditionellen Liedformen wächst "Kitchen Sink" mit der Zeit und dürfte langfristig nicht ohne weiteres zu überbieten sein, wenn es um massenkompatible Sounds mit inhaltlichem Mehrwert geht. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/053d8929c85e4906a1e6ef42160efbfd" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.06.2020
Infectious Music /BMG / Warner
49:26
26.06.2020