Aufrichtig und direkt möchten NAKED GIANTS mit ihrer neuen Platte daherkommen … Misst man diese Ansage an der Art und Weise, wie die Band ihre Lieder schreibt, sowie dem Sound von "The Shadow", trifft zumindest letzteres zu, wohingegen ihre zweite LP für sich genommen eher wie ein Tribut an die Ursuppe des Indie Pop bis Rock wirkt, als dass man von einem ehrlich und natürlich entstandenen Werk sprechen könnte.
Klar, niemand ist völlig frei von Einflüssen anderer Einzelmusiker und Acts, doch auf diesem Album gewinnt man stellenweise den Eindruck, seine Schöpfer würden sich zuerst um die authentische Wiederbelebung einer Klangästhetik bemühen, die eigentlich nie wirklich ausgestorben ist, und erst danach Anstalten machen, schlicht substanzielle Songs zu schreiben.
Die stärksten Momente weist "The Shadow" immer dort auf, wo NAKED GIANTS von ihrer dominant Dinosaur-Jr.-verdächtigen Gangart (latent unterbelichtet an heutigen Produktionsstandards gemessen) abweichen und gewissermaßen in das Vereinigte Königreich der frühen 1980er schielen. Dort bekam man nämlich kaum zwingenderen Post Punk als beispielsweise 'High School (Don't Like Them') oder 'Turns Blue' (traumhaft schwerelos!) geboten.
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Produziert wurde der Longplayer übrigens von Chris Funk, dessen Decembrists ebenfalls als Referenzpunkt dienen. Nach NAKED GIANTS' Debütalbum markiert das neue Werk definitiv einen Vorwärtsschritt in puncto Songwriting, was insofern beachtenswert ist, dass seitdem kaum zwei Jahre vergangen sind und die mittelmäßige EP „Green Fuzz“ nur knapp zwölf Monate zurückliegt. Das sanfte 'The Ripper' und der konträr dazu peitschende Antreiber 'Television' (wenn das mal keine Anspielung auf die gleichnamige Kultband ist …) sind die Kompakten Schlüsseltracks des Albums, derweil das Titelstück mit epischen sechs Minuten und bleischweren Riffs den Weg in eine Zukunft frei von stilistischen Zwängen zeigen könnte.
Bis dahin ist "The Shadow" …
FAZIT: … ein teilweise tanzbares, teilweise Funk-rockiges Stück Indie der traditionellen Sorte, nie dilettantisch gespielt oder schludrig geschrieben, sondern im Gegenteil äußerst abgefeimt, was das Songwriting angeht. NAKED GIANTS haben ihr Meisterwerk allerdings noch vor sich - vielleicht das berühmte dritte Album? <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/963a3a9db9e346c7ade6ce5223a194ef" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.08.2020
New West / Pias
39:08
21.08.2020