Möchte man Nicky William auf eine stilistische Schiene festnageln, gerät man in arge Nöte. Der skandinavische Weltenbummler liebt zwar vor allem Roots-Musik aus den Vereinigten Staaten und Kanada, verwebt deren Stilmittel und Gesten aber freimütig mit Sounds, die in diesem Kontext anfangs widersinnig erscheinen.
Das Ergebnis ist so etwas wie alternative Americana, die man in Übersee auch gerne mal als "off-kilter" oder "odd" bezeichnet, ehe man den Folk-Begriff nachstellt. Produktionstechnische Spitzfindigkeiten wie Western-mäßig klappernde Kastagnetten, elektronische Beat im abschließenden Lamento 'You Are Burning' oder hintergründige Hawaii-Klampfen während des ansonsten pastoral flötenden 'Pleasant To The Eye' sprechen diesbezüglich eine klare Sprache.
Der von den großen Amerikanerinnen Joni Mitchell und Patti Smith sowie Düster-Crooner Nick Cave inspirierte Künstler ist sich nicht einmal für tuntig schrägen Funk mit spastischem Getröte ('Pathetic Fuck') zu schade und betört nicht nur mit seiner tief raunenden Stimme, sondern auch durch eine in diesem Spektrum überdurchschnittlich hohe Komplexität beim Songwriting.
Der psychedelische Softrocker 'Feel It All' kommt mit viel Reverb auf der Gitarre und einem Motown-verdächtigen Bass-Groove daher, lässt aber vor allem an eine maskuline Variante dessen denken, womit die tragische Amy Winehouse weltberühmt geworden ist - in die Gegenwart transferierte Soul-Großmütigkeit.
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Die Single ‘I Fell in Love With Her’, zu der Claudio Marino (Artax Films, die Biopics zu u.a. Watains Erik Danielsson und Behemoth-Nergal produziert haben) übrigens ein stylisches Video mit Schauspielerin Karolina Furberg gedreht hat, bietet beinahe stillstehend langsamen Country-Minimalismus und braucht nur ein paar an- bzw. abschwellende Akkorde sowie einzelne Orgel-Tupfer, um die sonore Stimme des Schweden (Leonard Cohen lässt aus dem Grab grüßen) zu tragen.
FAZIT: Nicky Williams war bereits anhand der Stärke seines Einstands "Set You Loved Ones Free" (2017) eine Entdeckung wert, und dieser Nachfolger eignet sich in seiner Kompaktheit bestens zum Kennenlernen seines verschrobenen, herrlich abseitigen und Folk-Klischees negierenden Sounds. Anchecken, bitte! <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/9444b540ee6248708a0c14e55f3d7d0f" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.10.2020
Nicky William
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Icons Creating Evil Art / Rough Trade
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09.10.2020