Dass NIGHT IN GALES mit ihrem Anfang 2018 veröffentlichten Album "The Last Sunsets" nicht nur den sprichwörtlichen Staub aufwirbelten, sondern mit ihrem "heimgekehrten" ersten Sänger Christian Müller auf ihre ursprüngliche Erfolgsspur einbogen, kann an niemandem vorbeigegangen sein, der dem Melodic Death Metal der "alten (vornehmlich Göteborger) Schule" zugetan ist. Beim vergleichsweise hurtig daraufhin eingespielten "Dawnlight Garden" stellt sich nun also nicht wirklich die Frage eines Richtungswechsels, sondern spannend ist vor allem, ob das Quintett die neu entfachte Euphorie in Folge der letzten Sonnenuntergänge musikalisch direkt umsetzen konnte...
Als Antwort lässt die Band die Fetzen fliegen und präsentiert sich rund 25 Jahre nach ihrem quasi-legendären Einstand "Sylphlike" so spielfreudig und angriffslustig wie ehedem, dazu noch einen Zacken souveräner als zuletzt. Das siebte Langspielalbum knallt so ungezwungen wie heftig aus den Boxen, enthält die fettesten Gitarren-Soli der Bandgeschichte, präsentiert einen etwas variableren Sänger vor einer kompakt auftrumpfenden Einheit, die immer noch mehr zwingende Nackenbrecher-Riffs aus den Ärmeln schüttelt als manche "größere" Band.
Gitarrist Jens Basten hat das Album quasi im Alleingang geschrieben und macht aus seiner Rückbesinnung auf die frühen Neunziger keinen Hehl, und vor allem Schlagzeuger Adriano Ricci verdichtet die ohnehin schon eingängigen Kompositionen mit seiner energischen Performance. Ähnlich wie einst bei In Flames (die Rede ist von "Lunar Strain"!) schimmern hier und dort klassische Metal-Melodien durch. Melancholische Anklänge wie zu Beginn von "Kingdom" bleiben rar gesät, und selbst in ihren "schwächeren" Momenten nehmen es NIGHT IN GALES jederzeit mit Amon Amarth (dieser Tage) auf. Apropos Schwachpunkte: Ein Song wie "The Spectre Dead" braucht nicht einfach so ausgefadet zu wer...
Die Neueinspielung vom "Skydancer"-Kniefall "A Spark In The Crimson Eclipse" fügt sich auf "Dawnlight Garden" ebenso nahtlos wie Freudentränen treibend ein - die Objektivität des Rezensenten schwindet wahrscheinlich in solchen Momenten dahin, doch auf Musikreviews.de schreiben nun mal auch Fans.
Die Produktion ist einmal mehr druckvoll und klar, jedoch nicht zu clean geraten, was kaum überrascht, wenn Dan Swanö Mix und Mastering verantwortet, denn der kennt seine Pappenheimer mittlerweile. Das Cover-Artwork des im Metal-Underground (zu?) viel beanspruchten Costin Chioreanu mag auf den ersten Blick zunächst etwas generisch wirken, doch wer genau hinschaut, erkennt im Hintergrund den verblassenden Sonnenuntergang und somit die Farbtöne der alten und neuen "NiG-Klassiker", an die das neue Album entschlossen anknüpft - und Band und Fans der Live-Darbietung entgegen fiebern.
FAZIT: "Dawnlight Garden" ist ein Paradebeispiel für ein Album, das zwar keine stilistische Überraschung bietet, und wohl dennoch ein so genannter "Pflichtkauf" - sprich: eine verpflichtender Lauschangriff - für Fans sein dürfte, da sich NIGHT IN GALES in bestechender Form präsentieren und so mitreißend aufspielen wie bereits vor einem Vierteljahrhundert. Und gegen eine solche Frischzellenkur dürfte kaum jemand etwas einzuwenden haben, oder?
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.07.2020
Tobias Bruchmann
Christian Müller
Jens Basten, Frank Basten
Adriano Ricci
Apostasy Records
40:49
24.07.2020