Nein, als erster wichtiger Sänger von Iron Maiden und über die Jahrzehnte hin wiederholt in Ungnade gefallener, bisweilen völlig herabgewirtschafteter Punk-Quertreiber hat Pail Di'Anno wirklich nichts mehr zu verlieren, und eine dementsprechende Attitüde strahlt auch die für "Hell Over Waltrop" mitgeschnittene Live-Performance des Britens mit seiner jungen Hintermannschaft aus.
Die Show (wo wurde sie wohl mitgeschnitten) beruht anders als sonstige in den vergangenen Jahren nicht sklavisch auf Songs der ersten Band des Londoners. Sie wurde 2006 aufgenommen und bringt demnach nicht seine letzten Mitmusiker (Architects Of Chaoz aus Deutschland) zu Gehör, sondern die sogenannten Phantoms Of The Opera.
Das Material galt eine Zeitlang als verschollen (mal ehrlich: wer hat danach gesucht bzw. es vermisst?), doch anscheinend wurde es gesichtet, und Toningenieur Thomas Mergler machte klanglich das Beste daraus. Nichtsdestoweniger ist der Sound ruppig und die Darbietung ungeschönt, weshalb man alle Instrumente unter die Ohr-Lupe nehmen kann.
Die Band ist ziemlich tight, wenn auch beispielsweise weiter von der Inkarnation entfernt, die zuletzt mit nahezu reinen Maiden-Tribut-Konzerten von sich reden machte. Der ruppige Charakter steht insbesondere den Außenseitern in der Setlist gut - 'Children Of Madness', 'Marshall Lokjaw', 'The Living Dead', 'The Faith Healer' und Di'Annos wohl stärkste Post-NWoBHM-Komposition 'The Beast Arises'.
Die Stücke aus der Feder von Pauls alten Weggefährten hat man allerdings schon deutlich besser gecovert geboten bekommen. Andererseits ergibt der Release dieser Gig-Nachlese auf jeden Fall dann Sinn, wenn sie Paul dabei hilft, die ärztliche Betreuung zu finanzieren, auf die er mittlerweile angewiesen ist.
FAZIT: "Hell Over Waltrop" ist ein nur eingefleischten Fans von Paul Di'Anno zu empfehlendes Live-Album, an dem es weder in puncto Umfang noch hinsichtlich seines Sounds und der Leistung der Protagonisten etwas Wesentliches auszusetzen gibt. <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/a90c4b19412d4e688ca0980728521145" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.01.2020
Metalville / Rough Trade
56:34
31.01.2020