Da "Mantracore" aus zwei verschwenderisch ausufernden Longtracks besteht, braucht hier niemand weiterzulesen, der "mundgerechte" Songs Schlag auf Schlag hören möchte; steht man unterdessen auf Post Rock im weitesten Sinn, spitzt man bei der Nennung des Bandnamens SAN LEO die Ohren.
Die italienischen Experimentalisten spielen ihre Trümpfe weniger auf der kompositorischen Ebene als in den Bereichen Klangdynamik und Spontaneität aus. Dass lediglich ein Duo diese opulente Klangkulisse aufspannt, ist nichts weniger als atemberaubend, und einer der beiden Marcos sorgt mit seinem nuancierten wie virtuosen Schlagzeugspiel andauernd für Maulsperren, während sich die Bearbeitung des einen (?) Saiteninstruments auf bis zur Knockout-Hypnose wiederholte Riffs beläuft. Allerdings setzen SAN LEO dabei dermaßen viel Energie frei, dass ausgeklügelte Melodien schlicht überfordern würden.
Der improvisatorische Eindruck, den das Projekt vermittelt, bedingt eine außergewöhnlich hohe Spannung beim Hören, denn die zwei Musiker reagieren intuitiv aufeinander, weshalb praktisch alles passieren kann. Unsinn ist im Zusammenhang mit "Mantracore" allerdings die Fülle von angeblichen Einflüssen, die man in den jeweils über 20 Minuten dauernden Stücken ausmachen soll: Psychedelic Folk und Electro-Industrial bleiben komplett außen vor, Freiform-Instrumental-Rock bis -Metal mit einem Schuss Drone respektive Ambient trifft es stattdessen deutlich genauer.
Sei's drum, das stete Anschwellen und Abflauen, jeder der nachgerade greifbaren Trommel- oder Beckenschläge und alle immer wieder mit biestigem Stoizismus angeschlagenen Gitarrenakkorde erzeugen einen Sog, der weder gesungene (geschweige denn geschriene) Worte noch Songwriting-Qualitäten im landläufigen Sinn braucht.
FAZIT: Sehr geiler Instrumentalkram in doppelten TV-Serien-Format - SAN LEO machen mit "Mantracore" ein Fass für Liebhaber des Intuitiven, Kreatürlichen in der Rockmusik auf. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/1a224f4a54f447a0b39afe1f35cfe1af" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.11.2020
Marco Migani, Marco Tabellin
Marco Migani, Marco Tabellin
Marco Migani, Marco Tabellin
Bronson
43:29
13.11.2020