Im Grunde genommen war es erst einmal eine verrückte Idee aus deutschen Landen, die nun in ihrer Verwirklichung als THE ANCESTRY PROGRAM – kurz TAP – und dem Album „Tomorrow“ aufwartet. Und diese Idee samt ihrer bombastischen Vollendung kann sich durchaus hören lassen – besonders natürlich bei all denjenigen, denen die progressive Rockmusik mit PINK FLOYD-, ELP- und KING CRIMSON- sowie GENTLE GIANT- und SPOCK'S BEARD-Tendenzen am Herzen und besonders in den Ohren liegt.
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TAP, das waren im Jahr 2015 vier namhafte Studio- und Session-Musiker, besonders aus der Prog- und Krautrock-Szene (AMON DÜÜL, SCHIZOFRANTIC, POISON IVY, OTHELLO usw.), die nunmehr im Live-Bereich als Band zum Sextett angewachsen sind, um ohne jegliche kommerzielle Zwänge das zu verwirklichen, was ihnen im Band-Sinne am Herzen liegt: Progressive Rockmusik der unterschiedlichsten Spielarten – von Metal über Art- und Krautrock.
Dabei kann es, wie beispielsweise auf dem seltsamen, mit jeder Menge musikalischen Gegensätzen spielenden „Pun Intended“, schon mal gehörig krachen und der eine oder andere Growl ist zu entdecken, ohne je dabei zu übertreiben oder die headbangende Metal-Szene verstärkt zu bedienen. Viel zu komplex sind in dieser Beziehung die Kompositionen und das abwechslungsreiche Konzept hinter „Tomorrow“. Auch das ansprechend gestaltete Cover des Digi-Books mit der an den Terminator erinnernden Mensch-Maschine, welcher aus dem Mund völlig überraschend ein grüner Zweig wächst, weist den Weg viel mehr in Richtung Progressiv Rock mit Anleihen an die guten alten Zeiten, ohne sich ausschließlich in Retro-Referenzen zu suhlen.
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Fünf Jahre nach Projekt- bzw. Bandgründung erscheint nun mit „Tomorrow“ dieses musikalisch, konzeptionell, kompositorisch und gestalterisch rundum ambitionierte Debüt-Album von TAP, das sich durch wilde Stimmungswechsel, verschachtelte Akkordfolgen, viele Vintage-Klänge, samt herrlichen Hammond- und Mellotron-Tastenspielereien, verspielte Sound-Collagen, metallische Breitseiten und ein zeitkritisches Text-Konzept zur Zerstörung der Natur- und Umwelt auszeichnet und mit der dramatischen Frage: „What if life evolving to a permanent vacation / Does it pay turning ignorance into salvation?“, endet.
Manchmal wirkt der eine oder andere Moment zwar etwas überfrachtet, zu bombastisch ausladend – aber ist das ein Wunder, wenn gleich vier dermaßen begabte Musiker auf einem Haufen ihr gemeinsames Konzept-Album austüfteln und dabei ihre vielfältigen Ideen umzusetzen versuchen?
Bestes Beispiel für die Retro-Verliebtheit und die unverkennbaren Vorbilder der Musiker, in diesem Falle ELP, KING CRIMSON und SPOCK'S BEARD, ist das wild-verspielte „Another Way To Fly“. Und wer gerne nach weiteren Vorbildern sucht, der wird garantiert noch so einige im Verlauf der fast 80 Musikminuten von „Tomorrow“ finden.
Schön ist auch die Tatsache, dass im bedrückenden „Human Key“ („I'm walk alone and hide my face / I'm crashed inside and I cry alone.“) gleich mehrere Blasinstrumente (Saxofone, Flöte, Klarinette), eingespielt durch Axel Kühn, zum Einsatz kommen. Eine Klangfarbe, die TAP viel mehr hätten einsetzen sollen. So hätten sie ihrer Musik vielleicht gleich noch ein gewisses VAN DER GRAAF GENERATOR-Flair verleihen können, das man bei dieser Retro-Vielfalt fast ein wenig vermisst.
Mit etwas mehr Mut zur Eigenständigkeit statt zur übertriebenen Komplexität, wodurch man beweist, welche Richtungen man musikalisch alle bedienen kann, und durch eine breitere Instrumentierung (Warum nicht auch Streicher oder unkonventionellere Instrumente plus weltmusikalische Percussion?) werden THE ANCESTRY PROGRAM noch zu einer großen Nummer innerhalb der deutschen Prog-Rock-Szene werden.
FAZIT: Mit THE ANCESTRY PROGRAM meldet sich eine hochinteressante, aus verschiedenen Studiomusikern bestehende deutsche Band in der Prog-Rock-Szene an, um mit ihrem konzeptionell gestalteten Debüt „Tomorrow“ zu beweisen, wie nah progressive Rockvergangenheit und deren komplex ausgelebte Prog-Gegenwart liegen.
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Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.04.2020
Heiko Jung
Ben Knabe, Andy Lind, Mani Gruber, Thomas Burlefinger
Mani Gruber, Thomas Burlefinger, Martin Kursawe
Thomas Burlefinger, Mani Gruber, Andy Lind
Andy Lind
Axel Kühn (Saxofone, Flöte, Bassklarinette)
Eigenvertrieb/Just For Kicks
77:10
03.04.2020