Neuauflagen von Live-Alben? Okay, Klassiker wie Deep Purples "Made in Japan" oder Judas Priests "Unleashed in the East" sind meisterliche Konzert-Mitschnitte, die im lauf der Jahre mehrere Updates rechtfertigten, aber dass sich Glitterhouse einer Punk-Scheibe - zumal aus dem deutschsprachigen Raum - angenommen haben, ist recht ungewöhnlich.
Zumindest handelt es sich bei THE BATES bekanntlich um Urgesteiner der nationalen Szene, und unter Veteranen derselben genießt "Unfucked" Kultstatus. Die 1987 gegründeten Nordhessen, die wegen ihres kurzen Mainstream -Erfolges mit einem Cover von Michael Jacksons 'Billie Jean' Mitte der 1990er als One-Hit-Wonder verschrien wurden, ließen 1992 einen Auftritt im Göttinger Club Outpost für die Ewigkeit festhalten, wobei Eingeweihte argwöhnen, die Band sei nie besser gewesen als zu jener Zeit.
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"Unfucked Live" wurde für diese Reissue neu gemastert, was aber weniger bedeutet als die Tatsache, dass die Scheibe überhaupt wieder erhältlich ist, und sei es nur in bewusst limitierter Auflage in physischen Tonträgerformaten. Geil gleich vorneweg: Als Intro fungiert neben dem legendären Streicher-Motiv aus Alfred Hitchcocks "Psycho" - der Mordschauplatz im Film hielt schließlich für den Bandnamen her - als der empörte O-Ton der damaligen Veranstalterin über die Exzesse vor Ort. "Ich find's echt nicht gut, wenn, obwohl wir in unserem JZ absolutes Alkoholverbot haben, eine Band zwei Kisten Bier in Milchflaschen umfüllt und den johlenden Fans erklärt, das sei schäumender Apfelsaft …" Grandios!
Dass die selbst ernannten Bubblegum-Trash-Rocker "ihren" Punk seit je relativ weit fassten, zeigten sie schon mit dem poppig flotten Einstiegsdoppel aus 'Good Friends' und 'No More', wo auch ein bisschen Ska und Wehmut mitschwingen, bevor THE BATES Neil Diamonds 'Beautiful Noise' hart aufbohren und eine ganze Reihe kurzer Kracher mit Hardcore-Affinität heraushauen.
Dazwischen gibt's eine schräge Interpretation von 'It's My Party' (Lesley Gore) und ein durchaus ernst dargebotenes 'Yesterday' von den Beatles, das ebenso knapp gefasst bleibt wie Del Shannons Ohrwurm 'Runaway'. In alledem spiegelt sich die Vorliebe der Gruppe für die amerikanische Popkultur ab Mitte des 20. Jahrhunderts wider.
Mit 'Stuff' wird es vorübergehend richtig düster, wohingegen 'I Don't Care' auch heute noch ein kleines Rap-Rock-Kuriosum darstellt. Ihre stärkste Eigenkomposition hielten sich THE BATES an jenem Abend bis kurz vor Schluss auf: 'The Lips Of Jayne Mansfield' vor dem Fehlfarben-Schlüsselstück 'Paul ist tot' als Rausschmeißer.
Doch ziemlich gut gealtert, dieses Teil …
FAZIT: Davon abgesehen, dass THE BATES mit "Unfucked" ein für deutschen Punk (im weitesten Sinn) wesentliches Live-Album für ihre Diskografie in Anspruch nehmen dürfen, ist dieser erstmalige Re-Release des ursprünglich über den Indie Snoop erschienenen Titels auch eine weitere Hommage (nach u.a. einer Tribut-Compilation und Filmdokumentation) an den 2006 41-jährig verstorbene Frontmann Markus "Zimbl" Zimmer - eine saubere Sache in allen Belangen also. <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/85f3e8413b364c479f416c8cb741fd85" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.11.2020
Markus Zimmer
Markus Zimmer, Michael Rebbig
Michael Rebbig, Thomas Möller
Frank Klubescheid
Glitterhouse
48:25
04.12.2020