Sollte man eine Band nennen, die in den vergangenen paar Jahren einen völlig krassen Wandel vollzogen hat, lautet der Name WILDEDRUN. Von ihren bescheidenen Anfängen als vergleichsweise schnöde Folk-Metal-Kapelle aus dauerte es nur zwei Alben lang, bis die Amerikaner bereit für ihr Magnum Opus waren. Es heißt "Veil of Imagination" und zerreißt ebendiesen Schleier der Vorstellungskraft, zumindest bei in konventionellen Bahnen denkenden Hartwurst-Kostern.
Das Quintett bietet auf seinem dritten Longplayer mehr von allem, was es bisher zu Gehör gebracht hat, und noch viele weitere Klangfarben. Die Platte gleicht einer Materialschlacht; geklammert von zwei Longtracks (14 und elf Minuten) legen WILDERUN eine filmreife Darbietung hin, die sich genauso als Ganzes hören lässt wie in Häppchen, was zu Anfang vielleicht eher angebracht ist.
<iframe style="border: 0; width: 100%; height: 120px;" src="https://bandcamp.com/EmbeddedPlayer/album=3278252367/size=large/bgcol=ffffff/linkcol=0687f5/tracklist=false/artwork=small/transparent=true/" seamless><a href="http://wilderun.bandcamp.com/album/veil-of-imagination">Veil of Imagination by Wilderun</a></iframe>
Kansas-Geigen, aufwühlende Chorarrangements, Blastbeats zu Orchesterklängen wie aus Devin Townsends Sturm-und-Drang-Zeit, markerschütterndes Death Metal-Grollen und konträr dazu sehr schlichten Akustikgitarren-Arrangements mit Singer-Songwriter-Flair, zwischendurch sogar flockige AOR-Hooks gefällig? Alles auf einmal? Die Bostoner bringen's.
Erstaunlich bei alledem: nichts wirkt überfrachtet, und alles scheint an seinem Platz zu sein, ganz ohne Krampf und Angeberei. Die manchmal an Savatages Zak Stevens erinnernde Stimme von Multi-Instrumentalist Evan Anderson Berry steht im Zentrum und hält die zwischendurch erfreulich kompakten Kompositionen auch dann zusammen, wenn sie auszufransen drohen wie etwa 'Far From Where Dreams Unfurl', auf das Kamelot in ihrer bombastischsten Phase stolz gewesen wären.
Das dramatische 'The Tyranny of Imagination' (Opeth-Anspielungen inklusive) eignet sich kurz vor Schluss als Anspieltipp mit allen Schikanen für eine Platte, an der wir mit Wonne mehrere Monate zu kauen haben werden.
FAZIT: Progressive Metal hoch zwei: WILDERUNs "Veil Of Imagination" scheint das letzte Wort in dieser Disziplin sprechen zu wollen, und das völlig frei von jeglichen Djent- oder Core-Anwandlungen, die derzeit in der Szene in sind. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/dd182bf7e8034e3fa216decf59b29fa3" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.07.2020
Century Media / Sony
66:15
17.07.2020