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Reviews

William Prince: Reliever

Stil: Folk, Singer/Songwriter, kanadische Melancholie

Cover: William Prince: Reliever

<b>„Diese Lieder entstanden in einer Zeit großer Herausforderungen. Immer wenn sie hoffnungslos klingen, sollen sie ein Zeugnis von Widerstandsfähigkeit sein. Wenn sie sich langsam entfalten, dann suchen sie nach einem Ausweg. Klingen sie aber fröhlich und selbstbewusst, dann erscheinen sie wie die anbrechende Morgendämmerung, kurz nachdem es am dunkelsten war."</b> (William Prince zu seinem aktuellen Album „Reliever“)

Dieser Name ist ein echter Fluch, zumindest aus Musikersicht, ganz im Gegensatz zur royalen Sicht. Denn bis man zu dem kanadischen Musiker mit indigenen Wurzeln im Netz vorgedrungen ist, muss man erst einmal die Unmenge von Klatschpresse-Beiträgen zu Prinz William, dem Queenie-Beenie-Lieblingsenkelsohn, durchforstet haben. Das schnüffelnde Kriechen in den königlichen Anus ist eben für das gemeine Volk viel wichtiger als die eigenen Gehörgänge, die man wundervoll mit „Reliever“ von WILLIAM PRINCE, dem singenden Akustik-Gitarristen samt ausgezeichneter Begleitband, verwöhnen und umschmeicheln könnte, zu schärfen. Und außerdem bekommt man auf „Reliever“ von WILLIAM PRINCE, der auch federführend bei der kanadischen Folk-Rock-Band INDIAN CITY mitwirkt, noch dazu eine große Portion trauriger Melancholie samt dementsprechender Texte geboten, die garantiert nicht in all die Friede-Freude-Eierkuchen-Empire-Bilder passen, hinter deren Fassade es mehr stinkt als auf jedem vollgeschissenen WC-Häuschen am Rande der Autobahn.

WILLIAM PRINCE und der Queen samt ihrer gesamten royalen Sippe ist zwar der Gottesglaube gemein, aber ansonsten liegen zwischen dem nachdenklich-traurigen Folk-Musiker aus Kanada und dem britischen Königshaus Welten.

Doch dann ist da dieser Satz aus „Fleisch und Blut“ von „Always Have What We Had“, der doch so viel mit dem Wesen des Menschen zu tun hat, ob blaublütige Königin oder Bettler: „Flesh and blood needs flesh and blood and where there‘s blood there‘s pain.“

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Genau diese Stimmung, etwas bedrückend zwischen traumhaft und trotzdem genau abwägend, durchzieht das gesamte „Reliever“-Album, das in erster Linie von dem eindringlich-charismatischen Gesang William Princes, den man zwischen all den Folk-Größen von BRUCE HORNSBY bis MARC COHN sowie BRUCE COCKBURN und LUKA BLOOM ansiedeln kann, bestimmt wird. Auch rein musikatmosphärisch sind die Vorbilder klar zu deuten: einerseits der „American Recordings“-JOHNNY CASH und andererseits – ja, glaubt es ruhig – die wundervolle TRACY CHAPMAN, die eigentlich so eine Art weibliche Musikvariante von WILLIAM PRINCE ist (oder eben umgekehrt)! Also fahren wir mit dem „Fast Car“ nach Memphis (Auch wenn ein MARC COHN dort lieber hinläuft) und nehmen dabei gleich noch Mr. Cash, den wir nun nur noch „Meet Me In Heaven“ erreichen können, mit.
Doch Vorsicht, diese Fahrt ist eine ruhige, nachdenkliche, traurige – so als wären wir wirklich auf dem Weg zu all denen, die wir so schmerzlich vermissen, weil wir sie längst verloren oder irgendwie aufgegeben haben. Es dämmert und umso dunkler es wird, leuchten kleine Lichter zwischen Himmel und Erde. Sind das Glühwürmchen? Oder schon die Sterne? Oder etwa die Funken, die ganz schnell einen Flächenbrand entfachen können und das „Reliever“-Album mit „Sparks“ eröffnen? Ein Song, so fragil und hypnotisch zugleich wie MARC COHNs „Walking In Memphis“ in den Frühneunzigern. Bereits nach „Sparks“ ahnt man, welch emotionales Musikfeuerwerk seine ganze Schönheit, ohne jegliche, oft so störende Knalleffekte, in diesem Album entfachen wird: „I said if that fire ever burned just let it burn.“ Und man behält mit dieser Ahnung recht.

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Schnell wird bei der musikalischen Tiefe von „Reliever“ klar, warum das bereits fünf Jahre zurückliegende Debüt „Earthly Days“ bei den kanadischen Juno Awards in der Kategorie Zeitgenössisches Roots-Album „Album des Jahres“ werden konnte. Hier knüpft auch „Reliever“ erneut an und es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn Princes 2020er-Album nicht erneut für die Juno Awards dieses Jahres nominiert wird. Ein erneuter Kandidat für das „Album des Jahres“ sollte es allemal sein.

„Reliever“ ist kein Album, das lautstark mit den Kronjuwelen klappert, sondern stattdessen vorsichtig in der verloschen erscheinenden, erkaltenden Asche nach dem einen noch lodernden Funken sucht, der alles entflammt. Ruhig, langsam, bedächtig greift es dann um sich, bis es ein ganz großes Feuer entfacht. Wer sich darauf einlassen kann, der fängt dank WILLIAM PRINCE garantiert Feuer! „Talking About A Revolution“? Aber klar doch!

FAZIT: „Liebe könnte der größte Helfer von allem sein!“ Diese Weisheit, Erkenntnis oder doch nur Wunsch ist im Inneren der Gatefold-LP „Reliever“ des kanadischen Folk-Liedermachers mit der eindringlichen Stimme und dem Gefühl für die Schönheit der ruhigen Klangwelten WILLIAM PRINCE nachzulesen. Und wie viel Liebe und Persönliches in diesem „Helfer“-Album steckt, werden gerade die erkennen, die in den ruhigsten Momenten zugleich ihre schönsten Erfahrungen sammeln, selbst wenn einem ständig weisgemacht wird, dass nur der Schnellste und Lauteste auch der Erfolgreichste sein kann. Und während sich Prinz William in den künstlichen Strahlen des British Empire sonnt, lässt der so traurig erscheinende WILLIAM PRINCE die G(ef)ilde der Folk-Singer-Songwriter im königlichen Lichte erstrahlen.

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Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.05.2020

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (24:57):
  2. The Spark (3:59)
  3. Wasted (2:44)
  4. Reliever (4:13)
  5. Always Have What We Had (5:10)
  6. Old Souls (4:13)
  7. That's All I'll Ever Become (3:38)
  8. <b>Seite B</b> (19:37):
  9. Leave It By The Sea (3:46)
  10. Lighthouse (3:24)
  11. The Gun (3:50)
  12. Heaven And Hell (4:38)
  13. Great Wide Open (3:59)

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Glassnote Music LLC/AWAL

  • Spieldauer

    44:34

  • Erscheinungsdatum

    07.02.2020

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