Bei dieser Band, die natürlich sofort deutliche Erinnerungen an eins der besten MIKE OLDFIELD-Alben, selbst wenn sie kein bisschen nach Oldfield, sondern viel mehr dem floydianischen Umfeld klingen, muss ganz speziell die Herkunft betont werden. AMAROK kommen aus Polen und dürfen ab sofort nach ihrem aktuellen Album „Hero“ auch mit zu deren progressiven Speer-Spitze zählen. Was in Polen in Sachen Prog so alles passiert, ist mehr als vorbildlich – und AMAROK gehören zu einer der größten und zugleich professionellsten Überraschungen.
Nur darf man die polnischen AMAROK bitte nicht mit <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2007/Amarok/Sol-De-Medianoche/" target="_blank" rel="nofollow">der gleichnamigen spanischen Band</a> verwechseln, welche bereits 1990 gegründet in ihrer Musik eine progressive Kombination aus Folk, Jazz und Rock vereint.
AMAROK aus Polen vereinen dagegen progressiven Rock mit oft sehr eingängigen Melodien und wunderbaren Klangwelten, die sich im Universum von PINK FLOYD, ihren Landsleuten RIVERSIDE, Bruce Soords PINEAPPLE THIEF oder BIG BIG TRAIN und Steven Wilsons PORCUPINE TREE bewegen. Auch die Bands, mit denen das polnische Prog-Quartett gemeinsam auf der Bühne standen, sind beachtlich und eine gute Adresse, um sich zugleich die Musik hinter „Hero“ zu erschließen: NICK MASON, GAZPACHO und BJØRN RIIS.
Gleich zum Anfang überrascht „Hero“ mit einer eindeutigen, ganz kurzen „Echoes“-Sequenz, die mitten in dem stark floydianisch angehauchten „It's Not The End“ auftaucht und ganz schnell wieder verschwindet, aber gerade darum sofort bei allen Floyd-Fans dieses Kult-Longtracks aus dem Jahre 1971 hängenbleibt. Doch eigentlich sind es nicht die frühen Jahre von PINK FLOYD, an die immer mal wieder auf „Hero“ Erinnerungen geweckt werden, sondern eher die „A Momentary Lapse Of Reason“- und ROGER WATERS „Amused To Death“-Zeiten.
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Ähnlich bestechend wie die Musik ist auch der Sound, der auf tatsächlich allerhöchstem Niveau daherkommt und mit warmen, sehr voluminösen Bässen, klaren Höhen und aufregenden Stereo-Effekten überzeugt. Selten klang ein Prog-Album dermaßen voll und auf einem Niveau, das man heutzutage vielleicht von PINK FLOYD oder STEVEN WILSON erwartet. Genau solche Besonderheiten trennen den noch viel zu oft progressiven Spreu vom wertvollen Weizen. „Hero“ ist jedenfalls eine Prog-Saat, die in ganzer Linie aufgeht.
Bereits der 2017er-Vorgänger „Hunt“ verschmolz verschiedene Stilistiken wie Prog, Folk, Rock, Electronics, Ambient und Weltmusikalisches miteinander. Genau dieser Ansatz wird auch auf „Hero“ verfolgt, das wie eine nicht nur gelungene Fortsetzung des Vorgängers, sondern sogar noch eine Steigerung klingt, auch weil am Sound noch dermaßen gefeilt wurde und zusätzlich die exotischsten Instrumente auftauchen, aber auch typische Gilmour-Gitarren-Ausflüge sowie bombastische und schwebende Wright-Keyboard-Passagen ihr liebevolles 'Unwesen' auf den sieben Stücken treiben. Fast bedauerlich ist im Grunde nur, das es auf dem Album keinen echten Longtrack gibt, der mal im zweistelligen Minutenbereich wildert.
Thematisch liegt „Hero“ ein Konzept zugrunde, das sich auf die fortschreitende Digitalisierung unseres Lebens bezieht und zugleich auf die vielen Gefahren verweist, die dahinter lauern, wie Kontrollverlust oder Isolation. Natürlich ein deutlich Verweis auch auf die Pandemie fehlt nicht. Das hat etwas von H.G. Wells „Krieg der Welten“, nur dass die Gegner neben den Maschinen auch die Viren sind. Der 'Held' der Geschichte kämpft jedenfalls verzweifelt um sein Leben und stellt sich seinen sichtbaren wie unsichtbaren Gegnern entgegen, ohne aus Angst vor dem Unbekannten, das ihn erwartet, aufzugeben. So spannend wie das Konzept ist auch die Musik. Auf „Hero“ greifen die musikalischen Puzzle-Teile überzeugend ineinander und ergeben am Ende ein 'bedrohlich-schönes' Bild, das einen nicht loslässt und in das man tief eintauchen kann. Wieder und wieder.
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FAZIT: Wer so ein Album wie „Hero“ raushaut, der hat tatsächlich das Zeug zum progressiven Rock-Helden! Das polnische Prog-Rock-Quartett AMAROK (Bitte trotz des Bandnamens keine Rückschlüsse auf Mr. Oldfield ziehen!) besticht auf diesem Konzept-Album mit einer unglaublich eigenständigen Mischung von Folk bis Prog in absolut hervorragender Klangqualität, die so auch Bands wie RIVERSIDE, BIG BIG TRAIN oder PORCUPINE TREE nicht besser hätten hinbekommen können.
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.11.2021
Michał Wojtas, Marta Wojtas, Konrad Zieliński und Kornel Popławski
Oskar Records/Just For Kicks
41:55
03.10.2021