<b>„Viele Hörer brauchen zur Beschreibung von Musik immer ihre klassischen Schubladen, in die sie etwas einordnen können. Und so könnte man dieses Werk vielleicht am ehesten mit dem Begriff 'Elektronische Ambient-Musik mit Feldaufnahmen' umschreiben. Erklärtes Ziel war es, von der Zivilisation und der natürlichen Umgebung der Stadt Rodgau ein akustisches Portrait zu kreieren.“</b> (Bernd-Michael Land im Booklet zu „Rodgau Field – Ein akustisches Portrait“)
Hört man heutzutage im Rahmen der Musik RODGAU, dann denkt man monoton automatisch an den dazugehörigen Namen MONOTONES, eine im hessischen Rodgau gegründete Rockband, die gerne auf Humor und Dialekt setzt und mit „Die Hesse komme“ im Rahmen der Neuen Deutschen Welle gar einen Hit landeten, der natürlich in Hessen längst Kultstatus besitzt.
Anno 2021 aber lernen wir dank BERND-MICHAEL LAND plötzlich eine gänzlich neue, völlig andere musikalische Hessen-Seite von Rodgau kennen, die der 'Elektronischen Ambient-Musik mit Feldaufnahmen im Berliner-Schule-Stil', mit welcher Land von seiner Stadt (Ach, was für ein feines Wortspiel!) ein akustisches Porträt erstellt, dessen Grundlage elektronische Sounds und so genannte Fieldrecordings – sprich Feld- und Wiesen- und Straßen- und Umweltgeräusche, mit einem speziellen Aufnahmegerät aufgezeichnet und ausgiebig elektronisch bearbeitet – sind, welche als eine Kombination aus mit Synthesizern erzeugten Electronics und akustischen Soundscapes ihre ureigenen Klanglandschaften entfalten. Ganz ähnlich kennen wir sowas von JEAN-MICHEL JARREs „Zoolook“ oder seinem top-aktuellen „Amazônia“-Album, wobei auf „Rodgau Field – Ein akustisches Portrait“ immer wieder neben dem 'Jarre-ismus' atmosphärisch deutlich TANGERINE DREAM oder ganz speziell EDGAR FROESEs "Epsilon in Malaysian Pale" und KLAUS SCHULZE ihre Spuren hinterlassen.
Und da BERND-MICHAEL LAND noch dazu schon seit Jahrzehnten ein absoluter Profi hinter all den Tasten und Reglern ist, wird sein, in einem dicken Jewelcase steckendes und mit einem bildreichen 28-seitigen Booklet versehenes, Doppel-Album ein weiteres elektronisches Album, das eigentlich der viel besagten 'Berliner Schule' alle Ehren macht, nunmehr aber in dieser Form, in der so intensiv auch die Naturgeräusche dominieren, die 'Neue Rodgauer Schule' eröffnet.
Selbst sonst für das normale menschliche Ohr unhörbare Geräusche werden auf „Rodgau Field“ mithilfe moderner Technik hörbar gemacht und in ein harmonisches Klanggerüst gekleidet, so als würde die Musik in Kombination mit der Natur ein gänzlich neues Universum bilden, bei dem wir beispielsweise neben Wasserrauschen, Vogelgezwitscher, Verkehrsgeräuschen usw. sogar die in Rodgau weit verbreiteten Fledermäuse in „Tanz der Fledermäuse“ hören können, die ja normalerweise durch ihre hohen Tonfrequenzen von uns Menschen akustisch gar nicht wahrgenommen werden können. Hier steckt unglaublich viel Liebe hinter und in jedem Detail. Doch dafür ist BERND-MICHAEL LAND, der sogar den Bäumen schon mit (s)einem fünffachen Klang-Epos ein musikalisches Lächeln verlieh, längst hinlänglich bekannt und hoch geschätzt.
<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/oznktu6txPM" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen></iframe>
Für „Rodgau Field“ jedenfalls sammelte BERND-MICHAEL LAND drei Jahre lang seine Feldaufnahmen, sichtete diese noch einmal genau in Vorbereitung auf sein Doppel-Album und nahm, wenn sie den sound-qualitativen Anforderungen noch nicht entsprachen, diese erneut auf, sodass beispielsweise die vier Minuten 'Maisfeldrauschen' in „Maisfeld“, bis sie im Kasten waren, einen Zeitaufwand von über sieben Stunden beanspruchten.
Eine Stadt wie Rodgau sollte bei solchem Aufwand und solch musikalischer Qualität in diesem Zusammenhang verdammt stolz sein, dass auch sie in Lands 'Katalog der elektronischen und natürlichen Klänge' verewigt worden ist. Und wie schnell die Liebe des Musikers zu der Stadt und dem Umland von Rodgau entfacht wurde, zeigt die Tatsache, dass er erst 2013 von Offenbach am Main nach Rodgau-Hainhausen zog: „In den vergangenen sechs Jahren habe ich mich hier sehr gut eingelebt und diese beschauliche Stadt schätzen und lieben gelernt. […] Da ich in meine musikalischen Werke häufig Feldaufnahmen mit einbinde, war es jetzt einfach an der Zeit, signifikante Klänge und Geräusche verschiedener Lokalitäten in und um Rodgau zu suchen, aufzufinden und akustisch einzufangen. So wurden verschiedene Schall-Artefakte aus der gesamten Stadt Rodgau als äquivalentes Klanginstrument appliziert.“
Doch nicht nur die Musik des Doppel-Albums vermag zu begeistern, auch die Gestaltung und akribische Koordinaten-Koordinierung (Ach, das nächste Wortspiel! Ja, der Musiker spielt mit den Klängen und Aufnahmen, der Kritiker eben mit den Worten...) des Booklets, begeistern ebenso, denn es enthält jede Menge ganzseitige Fotos, von den Orten, wo die natürlichen Klänge, welche auf dem Album zu finden sind, aufgenommen wurden und sind noch dazu, falls man sich mal nach Rodgau begibt, mit den genauen Koordinaten der Ortsmarkierungen in Breite und Länge angegeben, sodass man tatsächlich jeden musikalisch porträtierten Ort, deren Geräusche Land in „Rodgau Field – Ein akustisches Portrait“ einfing, auch ziel- und passgenau besuchen kann.
FAZIT: Elektronische Musik des Berliner-Schule-Umfelds trifft auf ortsgetreue Fieldrecordings (Originalaufnahmen von Natur- und Umweltgeräuschen) und die Stadt Rodgau, in der sich der Multiinstrumentalist und Klangtüftler BERND-MICHAEL LAND niedergelassen hat, und ihr nun mit „Rodgau Field – Ein akustisches Portrait“ ein musikalisches Denkmal setzt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.05.2021
Bernd-Michael Land
Bernd-Michael Land (Feldaufnahmen)
Elektro Kartell
147:18
16.04.2021