Das 2007 erschienene Album „Colors“ gilt für viele Fans der härteren progressiven Klänge nicht nur als Meilenstein des Progressive Metal, sondern auch als Höhepunkt in der Diskographie der US-Amerikaner von BETWEEN THE BURIED AND ME (kurz BTBAM). Als die Band vor einigen Monaten bekanntgab, ein neues Album unter dem Titel „Colors II“ zu veröffentlichen, erschien das einerseits euphorisch, andererseits äußerst skeptisch. Immerhin sehr gewagter Schritt, eine neue Platte als Nachfolger zu dem wahrscheinlich wichtigsten Werk der Bandgeschichte zu betiteln – die Band selbst gibt an, wie bedeutend und richtungsweisend „Colors“ im Jahr 2007 für sie war.
Die vorab veröffentlichen Songs „Fix The Error“ und „Revolution In Limbo“ konnten mich vollends begeistern und steigerten so die Vorfreude auf das Album ins Unermessliche. Ein Album von BETWEEN THE BURIED AND ME sollte am besten ohne großes Vorwissen über die musikalischen Ideen selbst erkundet werden, weswegen in dieser Rezension nicht zu viel vorweggenommen und lediglich auf die beiden Singles ausführlicher eingegangen wird.
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„Monochrome“ dient als Einstieg in das Album und ist traditionell als Intro recht kurz gehalten. Durch die zarten Pianoklängen zu Beginn fühlt man sich direkt an den ersten Teil von „Colors“ erinnert. Das folgende „The Double Helix Of Extinction“ ist der härteste Song seit dem Album „The Parallax II: Future Sequence“ und groovt ordentlich aus den Boxen. Dieses Lied dürfte schon einmal all diejenigen zufriedenstellen, welche die BTBAM-Härte auf „Coma Ecliptic“ und den beiden „Automata“-Teilen vermisst haben.
„Revolution In Limbo“ beginnt bandtypisch mit irrwitzigen Gitarrenläufen und einer ordentlichen Portion Härte, bevor dann der erste Teil des Refrains erklingt. Nach einer weiteren cleanen Gesangspassage und einem wieder härteren Teil ist dann der Refrain vollständig zu hören. „Over and over, day in day out, monotonous drought. We didn’t live, we only existed“ – einer der eingängigsten und bisher besten Refrains der Band. Lyrisch geht es augenscheinlich um die Monotonie des modernen Lebens. Es folgt noch einmal eine härtere Passage, bei der auf einmal Death-Growls zu vernehmen sind: Drummer Blake Richardson steuert diese bei und liefert sich mit Sänger Tommy Rogers ein phänomenales Vocal-Duell. Es folgt ein Sound-Sample mit Geräuschen aus einem Wirtshaus oder einer Bar – das kennen wir doch aus „Ants of the Sky“! Dann: Ein Gitarrensolo im Latin-Stil, gefolgt von einer Gesangseinlage, die stilistisch ebenfalls im Latin-Bereich angesiedelt ist. Tommy klingt hier einfach grandios. Am Ende des Songs ertönt dann noch einmal der Refrain mit Ohrwurm-Charakter. Was für ein grandioser, abwechslungsreicher Song! „Revolution In Limbo“ zählt jetzt schon zu den stärksten Stücken der Band und sollte einen festen Platz im Live-Repertoire finden.
Es folgt die erste Single „Fix The Error“. Ein punkig-rotziger Song, der ein geniales Drum Solo beinhaltet – dafür holte sich die Band drei Gastdrummer ins Boot, unter anderem den legendären Ex-Dream Theater-Schlagzeuger Mike Portnoy. Weiterhin beinhaltet der Song unter anderem ein mitreißendes Gitarrensolo sowie eine stimmlich abgefahrene Gesangslinie („If you see the rainbow, there is no tomorrow“). Es ist unfassbar, wieviel Kreativität und wie viele Ideen BTBAM in einen fünfminütigen Song packen. Im Albumkontext mit den fließenden Übergängen funktioniert der Song übrigens noch besser als für sich alleine genommen. Die folgenden Songs können das starke Niveau über die gesamte Spieldauer halten und begeistern mit unglaublich vielen kreativen Ideen, Stilwechseln und überraschenden Momenten.
Alle Instrumentalisten zeigen ein gewohnt hohes Niveau. Zudem gibt es immer wieder Passagen, in denen einzelne Instrumente im Vordergrund stehen, z.B. technisch feine Bassläufe des Bassisten Dan Briggs, das oben angesprochene Drum-Solo oder kreative Gitarrensoli und -leads. Hervorheben sollte man an dieser Stelle Keyboarder und Sänger Tommy, der auf diesem Album vor allem bei den klaren Gesangslinien seine beste Gesangsleistung abliefert. Wie immer wechselt er spielend leicht zwischen harschen und cleanen Vocals. Zudem klingt er auf diesem Album so variabel wie nie zuvor – teilweise fragt man sich, zu welchen irren Vocals der Mann noch imstande ist.
BTBAM haben das unmöglich Erscheinende geschafft: Sie haben „Colors“ einen mehr als würdigen Nachfolger beschert. Auf „Colors II“ befinden sich noch mehr memorable Momente als auf den Alben zuvor. Eine solche Variabilität im Sound hat man in dieser Art von BTBAM selten zuvor gehört.
So ist „Colors II“ ein Album geworden, das abwechslungsreicher nicht sein könnte: Härte und Brutalität treffen auf melodische Schönheit, Chaos trifft auf Harmonie, verrückte und abgedrehte Ideen auf epische Passagen. Es gibt ohrwurmverdächtige Refrains, kreative Riffs, unvorhersehbare Stilwechsel und Verweise auf den Vorgänger „Colors“.
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FAZIT I: Mit „Colors II“ erreichen BETWEEN THE BURIED AND ME das Niveau der Alben aus der Zeit, die man als Peak der Band bezeichnen kann. Der für diese Zeit charakteristische Sound verschmilzt auf „Colors II“ mit neuen, moderneren Ideen. So schaffen BTBAM das Kunststück, einerseits absolut bandtypisch zu klingen, sich anderseits aber trotzdem in eine passende Richtung weiterzuentwickeln. Während viele Bands nie wieder an ihre Hochphase anknüpfen können, gelingt den Amerikanern dies, ohne sich selbst zu kopieren.
FAZIT II: Fans der Band kommen um das Album ohnehin nicht herum. Wer die Band bis jetzt noch nicht kennt, aber härteren Progressive Metal mag, der Extreme miteinander verbindet und sich durch irrwitzige, kreative Ideen auszeichnet, sollte ebenfalls auf jeden Fall „Colors II“ erleben. Das Album ist eine musikalische Achterbahnfahrt, keine Sekunde zu lang und von Anfang bis Ende mitreißend, leidenschaftlich und spannend. Man kann nur hoffen, dass die Quelle der Kreativität dieser Band niemals versiegen wird.
<b>(Daniel Kruse)</b>
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.10.2021
Dan Briggs
Tommy Rogers
Paul Waggoner, Dustie Waring
Dan Briggs, Tommy Rogers
Blake Richardson, Mike Portnoy, Navene Koperweis, Ken Schalk
Sumerian Records
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08.10.2021