Auch wenn man CALIBAN nach ihren Cover-Geschichten (u.a. hat die Combo Rammsteins ´Sonne´ zerstört) prinzipiell die Lizenz zum Musikmachen entziehen müsste, steht außer Frage, dass die neben Heaven Shall Burn bedeutendste (und im Vergleich stärkere, vielseitigere) deutsche Metalcore-Band noch nie etwas anbrennen ließ, wenn es um ihre eigenen Kompositionen ging.
Das neue Album "Zeitgeister" weist bereits mit seinem Titel darauf hin, dass sich CALIBAN 2021 konsequent auf den Einsatz ihrer Muttersprache verstehen, während sich stilistisch gottlob wenig bei ihnen getan hat. Die Gruppe ist nach wie vor ein Garant für unsagbar fett produzierten und auf den Punkt genau geschriebenen Genre-Stoff, der weiten Teilen der internationalen Konkurrenz den Rang abläuft.
Dies gilt vielleicht paradoxerweise sowohl insoweit, als das Quintett der Tradition seines Stils einerseits relativ streng verhaftet bleibt - das rasante ´Herz´, der melodische Stampfer ´Nichts ist für immer´ und das Breakdown-Fest ´Mein Inferno´ könnten ungeachtet elektronischer und "atmosphärischer" (ruhiger) Passagen kaum konservativer ausgerichtet sein -, jedoch andererseits immer wieder den Mut beweist, eher ungewöhnliche Wege zu beschreiten.
Plakativ offensichtlich geschieht dies bereits im eröffnenden ´Trauma´ mithilfe von Nasty-Shouter Matthias, der CALIBAN mit seiner Performance tatsächlich an den Rap-Metal-Rand schiebt; dann wäre da noch das mit ziemlich genau fünf Minuten Spielzeit längste Stück ´Ausbruch nach innen´, das regelrecht Alt-Prog-Züge trägt (freilich knüppelhart wohlgemerkt), und wenn im abschließenden ´nICHts´ hauchzarte Gesangsparts Gänsehaut erzeugen, ist der Spagat zwischen Stilpflege und Wagnis endgültig gelungen.
FAZIT: Mit "Zeitgeister" empfehlen sich CALIBAN als Modern-Metal-Band mit immer noch starkem Metalcore-Fundament, doch die Breitenwirkung, die das Album erzielen dürfte, ist so immens, dass die Band früher oder später im Rock-Mainstream ankommen dürfte … und das mit klugen, mitunter unbequemen Texten sowie klarer Haltung. Hut ab dafür! <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/3b99dde132854532bb324f48186b18fe" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.05.2021
Marco Schaller
Andreas Dörner
Denis Schmidt, Marc Görtz
Patrick Grün
Century Media / Sony
32:09
14.05.2021