Was lange währt… landet im Phrasenschwein. Im Ernst, bei CARCASS ist es echt so was von egal, wie lange man auf neue Musik warten muss, denn nach der Wiedervereinigung der Edel-Deather profitiert der Fan just davon, dass sie sich keinen Zwang antun und nur noch aus Spaß an der Freude tätig sind, statt auf Gedeih und Verderb Karriere machen zu wollen. Das ist für alte Säcke, die Frontmann Jeff Walker in sich und seinen Mitstreitern sieht, sowieso unangebracht.
Warum es ewig dauerte, bis CARCASS den Nachfolger zum fulminanten Longplayer "Surgical Steel" (2013) herausbringen konnten, spielt demnach kaum eine Rolle - zumal man in keiner Weise von "Torn Arteries" enttäuscht sein kann, wenn man der Meinung ist, dass die Briten erst ab "Heartwork" (1993) anfingen, richtig aufzublühen.
Hinter den jünsten Kompositionen der Gruppe verbergen sich letzten Endes weitere Verfeinerungen dessen, was sie in der Vergangenheit auf wegweisende Art zu Werke gebracht hat. Davon abgesehen, dass eingie Songtitel große englische Wortspielkunst beziehungsweise hintersinnigster Briten-Humor sind, finden sich auf "Torn Arteries" einige Pendants bereits vertrauter Standards.
´Dance Of Ixtab (Psychopomp & Circumstance March No. 1 In B) ADM´ zum Beispiel entpuppt sich als gefühlter Outtake des rockigen "Swansong"-Albums (1996), der in epischem Maß zur Vollendung geführt wurde, und auch ´Wake Up And Smell The Carcass - Caveat Emptor´ könnte von jener Platte stammen - quasi als Gegenstück zu ´Keep on Rotting in the Free World´ -, während ´Under The Scalpel Blade´ jene rasanten Läufe enthält, die das "Heartwork"-Titelstück zum todesmetallischen Überhit machten.
Apropos - ´Kelly's Meat Emporium´ ist vor dem walzenden ´In God We Trust´ der Ohrwurm der Scheibe. Sperriger hingegen: das schleppende Doppel aus ´Eleanor Rigor Mortis´ und ´The Devil Rides Out´, aber erstaunlicherweise nicht das fast zehnminütige ´Flesh Ripping Sonic Torment Limited´ worin CARCASS selten Vernommenes kompilieren, seien es Akustikgitarren oder eine fast psychedelische Midsection, die beinahe Jam-Charakter hat. Dass die Band gegen Ende die Kurve zum Kehrvers kriegt, zeugt einmal mehr von ihren bestechenden Songwriting-Fähigkeiten
´The Scythe's Remorseless Swing´ wurde als dritter potenzieller Todesdisco-Smasher wohl bewusst zum Schluss angehängt, denn so hinterlässt die Scheibe schließlich einen noch positiveren Eindruck als ihr Vorgänger.
FAZIT: CARCASS sind eine praktisch unfehlbare und unnachahmliche Ausnahmeband. "Torn Arteries" verschmilzt klassischen Heavy Metal, Rock und Todesblei abermals so intuitiv, dass man Angst bekommen könnte, würde Bassist und Growler Jeff Walker nicht wieder so Pulitzer-verdächtig texten. Kurzum, das nächste Genre-Meisterwerk der Liverpooler! <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/e522b2670f5b45ee99c6c4dde0979513" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.09.2021
Jeff Walker
Jeff Walker
Bill Steer, Tom Draper
Daniel Wilding
Nuclear Blast / Rough Trade
49:03
17.09.2021