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Charlotte Wessels: Tales From Six Feet Under

Stil: Art Pop / Metal

Cover: Charlotte Wessels: Tales From Six Feet Under

Auch die ehemalige Delain-Sängerin Charlotte Wessels litt sowohl wirtschaftlich als auch seelisch unter den für den Kulturbetrieb verheerenden Konsequenzen der Corona-Pandemie und machte aus der Not eine Tugend, indem sie Musik für sich selbst komponierte. Dementsprechend kann man das nun erscheinende Resultat dieser Arbeit als relativ ungezwungene Liebhaberei bezeichnen, deren Unberechnetheit (weniger Unberechenbarkeit) für die Künstlerin einnimmt.

Im Grunde genommen ist jeder Track auf "Tales From Six Feet Under" (Charlottes eigenes Studio trägt den Namen Six Feet Under) anders als der vorige, doch alle gemeinsam ergeben ein in sich stimmiges Bild, das die Bezeichnung Album tatsächlich verdient. Der Einstieg mit ´Superhuman´ wurde insofern klug gewählt, als er auf einehmende Weise an The Gatherings späte Phase mit Anneke van Giersbergen gemahnt.

Im Übrigen beeindruckt Wessels als gewandte Instrumentalistin, die ihre Ideen nicht nur versiert, sondern auch einfallsreich umzusetzen weiß. Sie programmiert detailverliebte Beats, schichtet ihre Stimme spurenweise übereinander (höre den auf Niederländisch gesungenen Stampfer ´Afkicken´) und flankiert ihre melodiöse Stimmführung mit gelegentlich pluckernden, aber meistens gleichsam melodisch gestrickten Keyboard-Motiven.

Nachdem sich ´Masterpiece´ als Breitwand-Pop erwiesen hat, mit dem die Singer-Songwriterin amerikanischen Diven Konkurrenz machen könnte, bieten ´Victor´ und ´New Mythology´ synthetisch sinfonischen Art Pop, doch die stärksten Tracks folgen erst noch: Bei ´Cry Little Sister´ von Gerard McMahon (bekannt aus dem Streifen ´The Lost Boys´ und auch schon von Marilyn Manson interpretiert) handelt es sich um eine Bombast-Hymne, die dem Original den Rang abläuft, während ´Lizzie´ nicht nur wegen der Beteiligung von Arch Enemys Alissa White-Gluz am zweiten Mikro einen erhöhten Schauwert besitzt.

Als gefühlvolle Power-Ballade steht die Nummer dem kraftvollen Rocker ´FSU (2020)´ gegenüber, der beinahe nach einer organisch performenden Band riecht, bevor ´Soft Revolution´ Charlottes stärkste Gesangsleistung auf "Tales From Six Feet Under" zur Diskussion stellt.

FAZIT: Charlotte Wessels´ Solo-Ausflüge mit "Tales From Six Feet Under" sind rundum gelungen. In einem Spannungsfeld aus alternativer Popmusik und dem ihr angestammten Bereich Metal (im weitesten Sinn) sind Lieder entstanden, die eine zwanglose, aber auch fragile Seite der niederländischen Power-Frontfrau zeigen und bei aller Kunstfertigkeit, mit der sie geschaffen wurden, sehr gut ins Ohr gehen. So klingt perfekte Lockdown-Kreativität.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.09.2021

Tracklist

  1. Superhuman
  2. Afkicken
  3. Masterpiece
  4. Victor
  5. New Mythology
  6. Source Of The Flame
  7. Cry Little Sister
  8. Lizzie - A Duet with Alissa White-Gluz
  9. FSU (2020)
  10. Soft Revolution

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Napalm / SPV

  • Spieldauer

    48:23

  • Erscheinungsdatum

    17.09.2021

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