„Wo der Geist ruht“ – schon dieser Albumtitel erhebt sich wie ein dunkler Monolith über all die Friede-Freude-Eierkuchen-Pop-Musik, welche nur Freude bereiten und unterhalten, aber bitte nicht anstrengen oder nachdenklich machen soll. Sowas geht einfach nicht mit dem männlichen Kopf der WALKABOUTS, denn CHRIS ECKMAN bleibt sich, egal ob mit oder ohne Band, treu. Auch wenn seine Stimme von mal zu mal etwas rauer zu werden scheint und damit noch eine zusätzliche Schippe vokale Finsternis drauflegt und außerdem dem alten Nobelpreisträger Dylan immer ähnlicher klingt.
Jedenfalls schafft Eckman auf „Where The Spirit Rests“ mindestens genauso dunkle Folk-Hymnen, wie es uns bereits das pechschwarze Cover plus wolkenverhangene Waldlandschaft bildlich offeriert.
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Heimlich, still und leise schleicht sich das fünfte Eckman-Solo-Album wie über eine schwarz gestrichene, in all der Dunkelheit kaum erkennbare Hintertür an, tritt ein und erstrahlt trotz all der Dunkelheit den Raum. Es ist ein kleines, aber zugleich auf den ersten Höreindruck etwas eintönig gestaltetes Meisterwerk geworden, das man auf keinen Fall übersehen und überhören darf, ob man nun WALKABOUTS-Anhänger, Hobby-Melancholiker oder einfach nur der Typ Musikliebhaber wie in der 'Bosch'-Serie ist.
Sieben Songs, von denen einige, wie beispielsweise der Titelsong, sogar an der Zehnminuten-Marke kratzen. In ihnen werden größtenteils traurige Geschichten von Verlusten, Verirrungen, Orientierungslosigkeit und Wiedergutmachung, aber auch der ständigen Suche nach dem Ort, an dem man sich niederlassen und den man von ganzem Herzen als Heimat bezeichnen kann, erzählt. So eröffnet mit unterlegtem, beunruhigendem Synth Drone „Snow“ nicht umsonst das Album. Hierin geht um die Kälte, die sich immer mehr breitmacht – und zwar nicht nur in der Natur: „These times are tough on love / Tough on sex and swagger / And tongues of silence“.
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In dem folgenden „This Curving Track“ übernimmt dann eine Pedal Steel viel Raum auf dem Song ein, genauso wie auf „Drinking In America“, Eckmans unerbittliche Abrechnung mit der trumpschen „America First“-Ideologie, welche das Land zum gefährlichen Popanz eines hasserfüllten Twitter-Gurus werden ließ. Auch der DREAM SYNDICATE-Kopf CHRIS CACAVAS sorgt zusätzlich an seinem Wurlitzer E-Piano ebenfalls auf dem Titelstück für Gospel-Elemente der Extraklasse.
Zuvor bescherte uns „Cabin Fever“ unter Federführung der Avantgarde-Violinistin Catherine Graindorge, welche bereits intensiv mit NICK CAVE und WARREN ELLIS zusammenarbeitete, orchestralen Klangglanz, der noch einmal im Titelstück wiederauftaucht.
Selbstverständlich schlägt sich, wie in letzter Zeit auf so vielen anderen Alben auch, auf „Where The Spirit Rests“ die Pandemie mit all ihrem Grauen, aber auch Hoffnungen auf ein besseres Danach (Wer weiß! Wer weiß?) nieder. Eckmann entdeckte sich und seine Gitarre dabei erst nach und nach wieder selbst: „Ich spielte nicht sonderlich viel Gitarre in den letzten Jahren. Von hieran entstanden die ersten neuen Songs. Mein neues Album begann zu wachsen. Und es gab keine Deadline.“
Insgesamt entstanden in dieser Phase 20 Songs, von denen es diese sieben auf das Album schafften, welche sogar in gewisser Weise einem Konzept folgen, indem sie wie sieben in sich geschlossene Kurzgeschichten verfasst wurden: „Ein innerer Dialog zwischen einer Person und ihrer Außenwelt. Eine engstirnige Stimme wie bei den Monologen des irischen Schriftstellers Samuel Beckett. Ich wollte es so authentisch wie möglich halten, mit Dreck unter den Fingernägeln“.
Einen besonders eigenartigen Eindruck hinterlässt der letzte Song des Albums „CTFD“, der garantiert von seiner minimalistisch ausgerichteten Spielweise und dem Sprechgesang sofort Erinnerungen an das überraschende Dylan-Neu-Werk „Murder Must Foul“ weckt.
Wieviel Absicht steckt wohl dahinter?
Denn hier beweist Eckmann eindrücklich und irgendwie bedrückend zugleich, wie viel vom literaturnobelbepreisten Tambourine Man in ihm steckt.
FAZIT: Er lässt sie nicht ruhen, die Geister, die er rief, sondern besingt sie mit tiefer Stimme und todtraurigen Melodien. Der WALKABOUTS-Frontmann CHRIS ECKMAN beschwört auf seinem fünften Solo-Album „Where The Spirit Rests“ mitunter eine schaurig-schöne und zugleich durchgängig melancholische Atmosphäre herauf, die – auch Eckmanns Stimme wegen – wie die Fortsetzung von Mr. Dylans „Rough And Rowdy Ways“ klingt. Unbedingt „in den stillen Abendstunden, wenn die Trommelstöcke ruhen“ (zumindest aus Sicht von der viel zu früh verstorbenen Tamara Danz und SILLY) und natürlich wenn sich der Geist in Richtung Stand-By-Modus begibt, hören.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.06.2021
Ziga Golob
Chris Eckman
Chris Eckman, Alastair McNeill
Alastair McNeill, Chris Cacavas
Blaz Celaree
Alastair McNeill (Electric Cello), Chuck Johnson, John Hyde (Pedal Steel), Catherine Graindorge (Violine, Bratsche)
Glitterhouse/Indigo
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04.06.2021