Dass Daniel Lanois insgesamt schon elf (!) Grammys gewann, kam nicht von ungefähr, doch von Behäbigkeit konnte und kann bei diesem Ausnahmekünstler keine Rede sein; 2021 erfindet er sich stattdessen (mal wieder) vorübergehend neu und sorgt in Form eines Studioalbums für eine satte Überraschung - selbst unter Kennern und langjährigen Fans.
"Heavy Sun" entstand in Los Angeles und Toronto, huldigt aber der traditionellen Gospelmusik der Südstaaten der USA - und das auf verblüffend authentische Weise, obwohl Lanois auf wenig mehr als seine bestens aufeinander eingependelte Stammband zurückgreift. Der Produzent von Über-Platten wie U2s "The Joshua Tree" zeigt sich kurz, kompakt, unkompliziert und von verletzlicher Seite, doch sein "schwärzestes" Album ist zugleich auch ein Kraftspender sondergleichen.
Wuchtige (synthetische) Beats wie in ´Under The Heavy Sun´ sind eine Seltenheit, aber fester Bestandteil der Klangkulisse, wenn auch nicht während der wunderschön traurigen Ballade ´Way Down´. ´Please Don´t Try´ trägt unter diesen Voraussetzungen hingegen beinahe Reggae-Züge und ist wie ´Tree Of Tule´ mit gebetsmühlenartig wiederholter Bassfigur ein stimmungsmäßig "sonniger" Ausreißer auf einer tendenziell kathartisch düsteren LP.
Die Vorab-Single ´Power´ geht mit hypnotischem Groove und Bedauern (Abgrund linksseitig) sowie Kampfgeist (auf der anderen Seite) als gegen Widrigkeiten Resilienz spendende Hymne durch … angesichts des mitschwingenden Gospel-Flairs vielleicht für eine neue - dito - Black-Power-Bewegung?
Daniel Lanois bestätigt anhand des Schicksals bzw. der daraus erwachsenen Musik früherer Generationen von Afroamerikanern (und bedauerlicherweise auch deren heutigen Nachfahren): Aus Leid erwächst Großes … und manchmal eben auch große Kunst.
FAZIT: Zeitgenössisch in Szene gesetzter Gospel, der tief in die amerikanische Seele zu schauen scheint, aber auch unabhängig von ihrer gesellschaftspolitischen Sprengkraft Berge versetzen kann - es brauchte offensichtlich jemanden wie Daniel Lanois, um diese Form von Musik ins Licht der Allgemeinheit zurückzuholen … was ihm mit "Heavy Sun" hoffentlich gelingen wird! <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/fa87304904b94955b330bbba20dbacf4" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.04.2021
Jim Wilson
Daniel Lanois, Rocco DeLuca, Jim Wilson
Rocco DeLuca, Daniel Lanois
Johnny Shepherd, Daniel Lanois
Daniel Lanois
eOne / SPV
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26.03.2021